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Die Obelisken von Hegira

Die Obelisken von Hegira

Titel: Die Obelisken von Hegira Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Greg Bear
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lautete der erste Text auf allen Obelisken, „die Zeit eurer Zeit, die Worte, die ihr sprechen, und die Dinge, die ihr verehren werdet. Alle anderen Dinge werden für euch sein wie nichts.“
    Alle Obelisken waren gleich. Die Zivilisationen von Hegira waren es nicht. Das, hatte Kirils Lehrer ihm erklärt, war, was die Obelisken damit meinten. Alle waren aufgefordert, unterschiedlich aus den Texten auszuwählen, hoch oder niedrig aufzusteigen, jeder nach seinen technischen Möglichkeiten, und sich das herauszusuchen, was sie von den unvergänglichen Nadeln brauchten.
    Denn die Obelisken waren die einzigen Dinge auf Hegira, auf die man sich verlassen konnte. Alles andere – Büßer, Armeen, Generäle und Diener gleichermaßen – war unbedeutend. Menschen flackerten so kurz wie Kerzen. Obelisken blieben.
    „Was wollt Ihr eigentlich wissen?“ erkundigte sich Kiril bei Bar-Woten.
    „Alles, wenn es nur handfest ist. Wenn ich muß, werde ich mich von Krumen ernähren.“
    „Der Bei weiß, was es mit dem Namen auf sich hat – Hegira“, sagte Barthel. „Er verweist auf die Flucht Momads aus Mekka zu Zeiten der Erstgeborenen. {1} Der Qur’an erzählt viele solche wunderbare Geschichten. Weder Yesu noch der Sinnende Lotos noch irgendein anderer kann sich jener Namensverwandtschaft rühmen, nicht einmal – verzeiht meine Hartnäckigkeit, Bei – Eloshim.“
    „Ich hatte nie von Ibis gehört, bis Eure Truppen kamen. Wie weit seid Ihr gereist, um hierher zu gelangen?“
    „Fünfzigtausend Kilometer.“
    „Wie habt Ihr das gemessen?“
    „Vermittels des Winkels der Obelisken zueinander, durch Triangulation und mit Hilfe der Grundannahme, daß der Abstand zwischen zwei Obelisken jeweils fünftausend Kilometer beträgt. Man nimmt zum Beispiel einen Punkt auf der Obeliskenlinie und setzt ihn als Dreiecksscheitel, wodurch –“
    Kiril fiel ihm ins Wort. „Wieviel Grad habt Ihr demnach durchmessen … sagen wir, zwischen dem Obelisken in Ibis und dem Obelisken Tara?“
    „Wie meint Ihr das?“
    „Wieviel Grad würden sie auseinander stehen, wenn sie die Schenkel eines Winkels bilden könnten?“
    „Ah“, begriff Bar-Woten. „Dreiundzwanzig Grad.“
    „Sind Eure Geometer zum dem Schluß gekommen, daß Hegira rund sei?“
    „Es ist rund, so weit sie es messen konnten. Natürlich gibt es keine Möglichkeit, mit Sicherheit auszuschließen, daß wir nur einen riesigen Hügel von fünfzigtausend Kilometern Durchmesser hinaufgegangen sind. Aber wir konnten keine fernen Lande sehen, wenn wir in den Himmel schauten, gleich, wo wir waren. So nahmen wir als gegeben an, daß Hegira rund sei.“
    „Dann muß sich auch berechnen lassen, wie groß sein Durchmesser ist.“
    „Zweihundertneunundvierzigtausend Kilometer.“
    Kiril starrte auf den Ibisier hinunter, und sein Mund mühte sich vergebens, die Zahl zu wiederholen. Er konnte sie kaum fassen. Er seufzte und schüttelte den Kopf. „Das ist jenseits der menschlichen Vorstellungskraft. Die Erde war nicht einmal annähernd so groß. Einige Sterne hatten diese Größe. Sie galten allgemein als die wildesten und ungestümsten Dinge, die man sich nur denken konnte.“
    „Dann mag Hegira ein Stern sein.“
    „Das glaube ich nicht“, sagte Kiril. „Ich habe die Texte ja nicht allzu gründlich studiert, während ich sie kopierte, aber ein Objekt von der Größe eines Sterns würde uns zum Boden hinziehen wie Geister auf einen Grabstein.“
    „Schwerkraft.“
    „Aber selbst wenn es kein Stern ist, muß Hegira sehr leicht sein, oder es würde uns genauso festhalten. Vielleicht ist es hohl.“
    „Und wir sind auf der Außenseite der Schale.“
    „Wenn die Obelisken wirklich schräg voneinander wegstehen, würde vieles dafür sprechen. Und, wie Ihr sagt, wir sehen keine fernen Lande, wenn wir gen Himmel schauen.“
    „Vielleicht soll Hegira nach Allahs Willen für Menschen unbegreiflich sein“, schlug Barthel vor.
    „Allah hat uns, wie du selber immer sagst, den Verstand gegeben, um zu denken und Rätsel zu lösen“, sagte Bar-Woten.
    Noch eine andere Frage beschäftigte Kiril. Wenn die Heerscharen von Ibis so viele wundersame Dinge entdeckt hatten, warum hatten sie dann einen blutigen Sensenpfad hinter sich gelassen, wo immer sie hingingen? Er konnte seine Vorstellungsbilder von Barbaren und Gelehrten nicht in ein Bündel schnüren. Er öffnete schon den Mund, um diesen Punkt anzusprechen, schloß ihn dann aber grimmig wieder und hüllte sich in Schweigen. Er wußte

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