Die Obelisken von Hegira
Die Köpfe vergingen als letztes. Ein Kopf, sein Vater, wie es schien (obwohl sie alle haarlos und daher schwer zu erkennen waren), verriet ihm, daß die Worte der Obelisken noch in ihren Gedächtnissen existierten und nicht ausgelöscht sein würden, bis sie vergaßen. „Nein!“ sagte er darauf. „Ich bin ein kleiner Junge, ich weiß nicht genug, um errettet zu werden, so darf es einfach nicht sein!“
„Warum verschwindest du dann?“ fragte der Kopf. „Schau, du hast dich schon zur Gänze aufgelöst.“
Kiril betrachtete den sich windenden Ibisier und sann darüber nach, welch grausame Träume ihm wohl im Kopf umherspuken mochten. Ohne Zweifel solche von Schlachten und Ausschweifungen … Dann trieb er davon in seine eigenen Träume. Keiner von ihnen schlief gut in dieser Nacht.
Ihre Verfolger tauchten nie wieder auf. Sechs Tage lang wanderten sie über die kalten Pässe, und am Morgen des siebenten Tages – der, wie Barthel erklärte, von symbolischer Bedeutung für Kristen und Momadaner war – blickten sie über den Rand der Straße in ein weites, grünes Tal. Mehrere Kilometer unter ihnen verlor sich die Spalte in bläulichem Dunst, wo sie an den Gestaden der größten Wasserfläche endete, die sie jemals gesehen hatten. Sie dehnte sich aus bis zum Horizont, und in allen Richtungen voraus konnten sie zwischen fernen Gipfeln ihre graublaue Linie sehen.
Von ihrer Warte aus war das Tal ein Flickenteppich aus Bauernland und unbeackerten oder ruhenden Feldern. An der Küstenlinie erhob sich eine Stadt. Sie wirkte so groß wie Madreghb.
Das Land erinnerte Bar-Woten an Ibis. Nahe der Meereshöhe war der Boden fett und fruchtbar, und die Vorhügel waren bedeckt mit terrassierten Reisfeldern und Wäldern von Kampfer holzbäumen und Pinien. Er erzählte ihnen von seinen Tagen in Ibis – Geschichten, die Barthel nie zuvor gehört hatte –, und die Erinnerungen weckten warme und zärtliche Gefühle in ihm. Zwanzig Jahre Schlachtengetümmel, Leid und Blutvergießen hatten die Freude nicht überschatten können, die er als Kind gekannt hatte.
Das Wetter war viel zu warm und angenehm, als daß auch nur einer von ihnen sich hätte trübsinnig fühlen können. Als sie durch einen letzten zerfransten Wolkenwattebausch hinaus in die eigentlichen Niederungen des Tales kamen, plauderten sie frohgemut. Kiril vergaß alles, was ihn in Ubidharm bedrückt hatte. Es war wie ein böser Traum, den er sich schämte wiederzugeben. Er sprach reichlich über seine Ausbildung als Scrittori. Die Ballone und ihre Verwendung längs der Wände des Obelisken faszinierten Bar-Woten, der viele Fragen stellte.
Die Straße war in den Bergen dem Verfall anheimgegeben worden, und auch jetzt war sie kaum mehr als ein besserer Trampelpfad mit Rillen, in denen Wagenräder laufen konnten. Ihre Pferde schwitzten und waren erschöpft, und so hielten sie auf eine kurze Rast im Schatten fedriger gelbgrüner Bäume nahe des Weges an. Der Wind, der durch die oberen Zweige pfiff, machte Kiril schläfrig, aber Bar-Woten ließ nicht in seiner Wachsamkeit nach. Barthel schlug ein kurzes Nickerchen vor, und Kiril stimmte zu, aber der Ibisier postierte sich bei den Pferden und blickte hinaus über das Tal. Er wollte weitere unliebsame Überraschungen vermeiden.
Nach einstündiger Rast setzten sie ihren Weg längs der Bauernpfade fort, bis die Stadt nur noch wenig mehr als einen Kilometer entfernt war. Barthel betrachtete prüfend die hinter ihnen liegenden Talwände. Wieder ein Zusammenhang, der noch nicht hergestellt war – warum waren einige Täler unbewohnbar für die Gläubigen? Weil die Dunkelheit in ihnen zu tief war? Warum füllte sich dieses Tal mit Licht und Wärme? Andere taten das nämlich nicht, ganz gleich, zu welcher Jahreszeit.
Sie schlugen ein kleines Lager auf, als die Nacht sich herniedersenkte. Kiril grüßte zu ein paar Kutschen hinüber, die auf den nun besser werdenden Straßen an ihnen vorbeirollten. Es waren merkwürdige Gefährte, orange wie ein sich verdunkelnder Zenit, mit glänzendem Lack über Holz, geschmückt mit Schnitzwerk und Muschelintarsien, darüber ein an einen Wandteppich erinnerndes Verdeck, von dem geknüpfte Lederverzierungen baumelten. Die Tiere, die sie zogen, waren keine Pferde, sondern bläuliche, pferdeähnliche Geschöpfe mit einem Hauch von wildem Elch. Bar-Woten sagte, er habe noch nie derartige Tiere gesehen. Die Kutschen rüttelten vorbei, freundlich und gleichgültig.
Am nächsten Morgen ritten sie
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