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Die Obelisken von Hegira

Die Obelisken von Hegira

Titel: Die Obelisken von Hegira Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Greg Bear
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wo immer Ihr auch hingeht. Was wir letzte Nacht gesehen haben, ist überall gesehen worden, sogar auf der anderen Seite von Hegira.“
    „Aber was war es denn?“
    „Sagt Ihr’s mir.“
    „Sterne, natürlich. Aber die Zweitgeborenen haben keine Sterne zu ihren Häuptern. So ist es seit alters her gewesen.“
    „ Haben wir denn nun Sterne zu unseren Häuptern oder nicht?“
    „Ja, nur daß wir sie nicht sehen. Etwas muß uns daran hindern, sie zu erblicken – ein Deckel, eine Luke. Und Gott hat diesen Deckel letzte Nacht geöffnet, um uns Seine himmlische Glorie zu zeigen.“
    „Er zeigte uns Sterne. Mag sein, daß Ihr bei ihrem Anblick den Drang verspürtet, das Gloria zu singen. Ich für meinen Teil hab’ mich nicht gar so glorios gefühlt. Aber was wichtiger ist, ich habe begriffen, daß wir nicht so verschieden von den Erstgeborenen sind. Wir sind nicht verdammt. Es könnte sein –“ Aber er unterbrach sich und schüttelte den Kopf.
    „Es war wunderschön“, sagte Kiril ehrfurchtsvoll, während er neben dem Ibisier einherschritt. Er verspürte fast Zuneigung für den älteren Krieger, als würden sie etwas miteinander teilen, von dem sonst niemand wußte. Ja, das war es: Sie teilten ihre innersten Gedanken über einen vorbildlosen Akt Gottes.
    „Es hat mein Herz eiskalt werden lassen. Es sah jung aus dort draußen.“
    „Was meint Ihr damit?“ fragte Kiril.
    „Es waren nicht alles Sterne“, sagte Bar-Woten. „Da gab’s eine Menge anderer Dinge dort draußen. Den Nebel. Vielleicht haben wir überhaupt gar keinen besternten Himmel gesehen. Vielleicht sahen wir etwas anderes, etwas wovon wir noch nichts gelesen haben.“
    Sie trafen Barthel, der bei den Kais umherstreifte, wo all die vertäuten Boote müßig und leer gegen die Puffer der Landungsstege schmatzten. Schweigend gesellten sie sich wieder zueinander und schritten längs der sich weit hinziehenden Kais, in der Nase den Geruch des Meeres – das nicht anders roch – und das schrille Kreischen der Seevögel im Ohr. Die Vögel klangen wie immer.
    Am Ende des Piers hatte ein Fünfmaster-Dampfer festgemacht, dessen drei Schornsteine keck über den stählernen Rumpf hinausstachen. Trupps von Matrosen und Schauerleuten wuchteten Frachtstücke aus den Laderäumen mittschiffs und trappelten Planken hinunter, um sie in einem Lagerhaus an der Seite des Piers zu verstauen. Kräne und Winden hoben die schwereren Lattenkisten auf Transportwägelchen. Es war das einzige Schiff, auf dem es so geschäftig zuging, und es stammte nicht aus Lucifa. Sie hatten seine Flagge nie zuvor gesehen und auch noch nie die Zunge vernommen, in der die Männer sprachen. Bar-Woten bedeutete Kiril und Barthel, ihm zu folgen. Sie gingen unbemerkt – oder unbeachtet – an Bord und verfolgten interessiert das Treiben.
    Bar-Woten machte einen Mann aus, der, den allgemeinen Tumult überragend, mit bedächtigem Gang über das Dock zur Passagier-Gangway schritt. Khakifarbene Pumphosen blähten sich ballongleich um seine Beine, und er trug eine eng anliegende blaue Weste über einem weißen Leinenhemd. Er enterte das Schiff, als sei er lang vertraut mit der schwankenden Seilbrücke, und wandte sich zur Back, wodurch er dort vorbei kam, wo die Drei gegen die Steuerbordreling lehnten. Bar-Woten trat vor und sprach ihn auf Lucifanisch an.
    „Ich bin beschäftigt“, sagte der Mann. „Weshalb belästigt ihr mich?“
    „Wir suchen Arbeit und Überfahrt.“
    „Reden später.“ Er eilte davon. Der Ibisier hob die Augenbraue und zwinkerte seinen Gefährten zu. Das war immerhin schon mal ein Entgegenkommen – keine knallharte Ablehnung.
    In der Zwischenzeit inspizierten sie das Schiff. Kiril zählte nachdenklich ihre Barschaft. „Schaut, mit dem Geld aus dem Verkauf der Pferde – damit und mit dem, was wir verdient haben – können wir noch vier, fünf Tage durchkommen. Keine allzu lange Zeit.“
    „Ich verstehe nichts von Schiffen“, sagte Bar-Woten, aber so, als habe dies nur geringen Einfluß auf sein Urteilsvermögen. „Ich auch nicht“, pflichtete Barthel hoffnungsvoll bei.
    „Wir müssen essen. Ich bin eines sandigen Bettes müde. Müde dessen, alles, was ich besitze, auf meinem Rücken zu tragen.“
    „Auf uns wartet noch ein langer Weg, Freund. Davon wird noch eine Menge mehr vor uns liegen.“
    „Demnach sollten wir jede Gelegenheit beim Schopf packen, die sich uns bietet, auf einem Schiff anzuheuern“, fuhr Kiril fort. Barthel blickte ihn bestürzt

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