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Die Obelisken von Hegira

Die Obelisken von Hegira

Titel: Die Obelisken von Hegira Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Greg Bear
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darum nicht.“
    „Ich kann mich nicht einmal mehr an ihr Gesicht erinnern“, gestand Kiril. Seine Kehle wurde plötzlich eng. „Ich erinnere mich kaum, wie es sich anfühlte, sie in den Armen zu halten.“
    „Dann erzählt mir von ihr. Vielleicht hilft das.“
    Aber Kiril fand es schwierig, die Worte auszusprechen, besonders vor dem stämmigen Ibisier. „Sie war wenigstens so groß wie Barthel, vielleicht einen oder zwei Zentimeter größer“, begann er. „Blondes Haar, das ihr bis auf die Hüften fiel, wenn es nicht zu einem Knoten geflochten war, mit einem Pferdeschwanz bis über die Schultern. Sie hatte … hat eine sanfte Stimme. Kann ich noch sagen: Sie hat?“
    „Ich weiß es nicht“, sagte Bar-Woten.
    „Zierliche Füße. Sie scheint jetzt so fern. Ich bin mir nicht einmal sicher, daß ich derselbe Mann bin, der sie liebte.“
    „Männer sind schon aus weniger sicheren Gründen auf närrischere Reisen ausgezogen.“
    „Ihr kennt das, mh?“ sagte Kiril ganz ohne Spott.
    Bar-Woten empfand es auch nicht als solchen. „Ich kenn’s“, pflichtete er bei. „Wie war eigentlich ihre Familie?“
    „Sie mochten mich nicht allzugern. Ich nehme an, keine Familie mag einen Freier – sie bringen zu viele Veränderungen. Aber ich paßte nicht in ihre Pläne. Mein Lieb hätte mir das nie vorgehalten oder sich auch nur darum geschert, aber ihre Familie war sehr sippenstolz, sie spielten die ganze Zeit irgendwelche Spiele zusammen oder betrieben gemeinsam Sport – sie hatte eine riesige Familie, zwölf Brüder und Schwestern. Ihr Vater war ein ruhiger Mann. Er unterhielt ein Geschäft in einem kleinen Städtchen namens Torres de Cristobal. Er besaß eine kleine Ranch und züchtete Vieh. Ich war ein Scrittori – nicht gerade eine verläßliche Profession, nicht viel besser, als wäre ich ein Student oder ein Theologe gewesen. Aber ich kam immerhin so gut auf meine Kosten, daß sie mich nicht ob meiner Lebenswahl tadeln konnten.“
    „Lebenswahl?“
    „Freilich. Ein Mann erwählt sich, wenn er geboren werden soll, eine bestimmte Aufgabe, die er auf Hegira zu erfüllen gedenkt. Wählt er falsch, so kommt er zur ungelegenen Zeit und kann sich nur als böse oder nutzlos erweisen. Ich hatte mir mein Leben gut genug eingerichtet, um nicht als nutzlos zu gelten.“
    „Wie war ihr Name?“ fragte Bar-Woten.
    „Elena“, sagte Kiril.
    Barthel begann, bei drei Decksoffizieren Unterricht in Navigationskunde zu nehmen. Er kam nun mit der Sprache besser zurecht, und zwei seiner Lehrer sprachen passables Lucifanisch. Als Gegenleistung für seine Stunden bot er ihnen Lektionen in Arbuck an, das in einigen der westlichen Küstenländer gesprochen wurde und seit jeher ein Buch mit sieben Siegeln für die Mannschaft der Dreizack gewesen war.
    Die Navigation auf Hegira, so erklärte man ihm, unterschied sich grundlegend von der Navigation, wie sie in den Obelisken-Texten beschrieben wurde. Es galt, andere Objekte anzuvisieren, und man mußte sich mit anderen Problemen befassen. Die meteorologischen Verhältnisse Hegiras waren radikal verschieden von denen der alten Erde, und es gab keine Sterne oder Sonnen und auch keinen Mond, die man als Anhaltspunkte benutzen konnte. Stattdessen wurden die Bahnen gewisser Feuertauben tabellarisch erfaßt, und jede Feuertaube erhielt einen Namen gemäß der ihr eigentümlichen Eigenschaften. Insgesamt gab es wenigstens fünfhundert verschiedene Feuertauben, von denen zwei Dutzend leicht auseinanderzuhalten waren. Sie konnten anhand ihrer Farbe und Helligkeit identifiziert werden, eine Vorgehensweise nicht unähnlich jener, die die Erstgeborenen benutzt hatten, um Sterne zu unterscheiden, nur daß die Feuertauben ganz offensichtlich keine Sterne waren. Sie waren nicht fix – sie bewegten sich vielmehr relativ zueinander entlang vielgestaltiger Bahnen, die wiederum allesamt Hegira zum Mittelpunkt hatten. Nicht alle Bahnen waren jedoch berechnet worden. Nur zehn besonders helle Feuertauben wurden für die Lösung der meisten Navigationsprobleme benutzt.
    Eine der Hauptaufgaben der Navigationskunde war es, stets zu wissen, wann eine Feuertaube erleuchtet sein würde. Jede hatte ihren eigenen Zyklus von Licht und Dunkelheit, der von sieben Stunden bis zu sechs Monaten reichen konnte. Es wurde als gröbliche Fehlleistung angesehen, wenn man eine Feuertaube anpeilte und sie einem dann unversehens direkt vor der Nase ausging.
    Tagsüber wurden vorherrschende Winde – die selten umschlugen –

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