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Die Obelisken von Hegira

Die Obelisken von Hegira

Titel: Die Obelisken von Hegira Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Greg Bear
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wie die Temperatur auf den Thermometern des Schiffes anstieg, als sie in das Gebiet des Ozean-Obelisken einfuhren. Er legte jedesmal die Stirn in nachdenkliche Falten, wenn er am Fuße des Großmasts stand, wo die Instrumente auf einer Mahagoniplatte angebracht waren, kratzte sich am Kopf und blinzelte ulkig. Dann, als der Obelisk frei vor ihren Augen lag, gerade vor Einbruch der Nacht, da der Himmel sich trübte und golden und grün wurde, glättete sich seine Stirn. Voller Verblüffung schaute er auf die Thermometer und begann zu schreien.
    „Es ist so einfach!“ rief er aus. „Es ist so wunderbar einfach!“

 
     
12
     
     
    Bar-Woten und Kiril wechselten sich dabei ab, sich auf den Schraubenschlüssel zu lehnen, grunzend und sich bis zum äußersten anstrengend in der engen, dunklen Hitze der Maschinenraumbilge. Der Schraubenschlüssel umgriff eine faustgroße Mutter, die eine Spannplatte an ihrem Platz hielt, welche wiederum dafür sorgte, daß ein Sekundärzug am Hochdruckzylinder genau in seiner Schwungbahn blieb. Seit einem Tag schabte diese Zugstange, was bei jedem Takt ein abscheuliches Kreischen erzeugte, das durch die Maschine hallte und die Kurbelwelle beben und sich aufbäumen ließ. Durch das stückchenweise Lösen der Mutter konnte die Spannplatte mit kräftigen Hammerschlägen verschoben werden, bis der Zylinderzug wieder zurück in die rechte Bahn kroch. Es war harte, schmutzige Arbeit, bei der sich Farbe auf ihre Hosen abrieb und der Schweiß über ihre baumwollenen Stirnbänder floß und in ihren Augen brannte. Sie setzten Schraubenschlüssel und Hammer ab, um eine Weile auszuruhen. Bar-Woten rieb die Blasen auf seiner Hand.
    Füße polterten vom Laufsteg des oberen Maschinenraums die Leiter hinunter. „Ich hab’ die Lösung gefunden!“ schrie Barthel. „Ich hab’s!“
    Er setzte sich zu ihnen auf eine der Hauptstützen, wand sich auf der unebenen Oberfläche und erstattete ihnen Bericht. Die Worte sprudelten nur so aus ihm heraus, ein hastiges, glückliches Plappern auf Mediwewanisch, das die meisten der diensttuenden Maschinenmaaten nicht verstanden, so daß sie nur dasitzen und mit leerem Gesicht auf dem Stringer an Backbord dwars und dem Binnenkiel der Bilge zuhören konnten.
    „Das bedeutet, daß die Obelisken Licht und Hitze auf ihrer Spitze haben“, schloß er. „Das erklärt, warum einige tiefe Schluchten die ganze Zeit über gleichmäßig dunkel sind und andere nicht.“
    Bar-Woten nickte, zu müde, um zu denken. Kiril lehnte sich gegen eine Kühlschlange und meinte, das klinge überzeugend.
    „Es ist sehr wichtig“, sagte Barthel, enttäuscht darüber, daß seine Erregung sich nicht auf die anderen übertrug. Er blickte von Gesicht zu Gesicht und versuchte, seine Entdeckung auch den anderen Seeleuten in gebrochenem Teutanisch zu erklären. Sie nickten freundlich. Frustriert stand er auf und wischte sich seine Hose ab, wandte sich um und schaute auf die Maschine, als mißtraue er ihr und allen anderen tauben und sprachlosen Dingen, denen er sich nicht verständlich machen konnte. Er kletterte aus dem Maschinenschacht und wanderte an Deck umher, auf der Suche nach Avra.
    Kiril und Bar-Woten tauschten mit einem anderen Matrosenpaar, und das Schraubenschlüsseldrehen und Hämmern ging weiter.
    Das Wasser wurde wärmer und bewegter. Große Wasserfontänen zerrissen im Westen die See zu gezackten Scherben. An ein paar Tagen kühlte sich das Wasser leicht ab, aber der Temperaturanstieg wurde stetiger, je mehr sie sich dem Ozean-Obelisken näherten.
    Avra half Barthel dabei, seine Theorie schriftlich niederzulegen, und gemeinsam sammelten sie Fakten und Zahlen, um sie zu erhärten. Zu seiner Enttäuschung mußte er entdecken, daß er nicht der erste gewesen war, der diese Idee gehabt hatte, aber trotzdem arbeitete er daran, seine Behauptungen zu beweisen, und Avra unterwies ihn darin, wie er bei seinen Forschungen zu Wege gehen mußte.
    Einen Tag, nachdem die Überholung der Maschine beendet war, glitt der Ozean-Obelisk auf der Backbordseite vorbei. Kiril betrachtete ihn von der Reling aus und dachte über Barthels Theorie nach. Wie zutreffend mochte sie sein? Seine Welt nahm mit jedem Tag genauere Umrisse an. Er dachte, in nur ein paar mehr Jahren könne er sie gleichsam zur Gänze in seiner Handfläche halten. Die Obelisken waren höher als die Luft, und die Sonne ging nicht über den Zweitgeborenen auf und nieder, sondern wurde heller oder schwächer und verbarg sich

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