Die Obelisken von Hegira
zu Ehestiftern oder Kupplern.
Uals leiblicher Vater akzeptierte Kiril kommentarlos. Ual hatte mehrere Familienväter – ihr leiblicher war nicht einmal ihr Lieblingsvater. Alle ihre Väter – und beim Durchzählen kam Kiril auf sechs – waren Gatten ihrer Mutter gewesen, die eine angenehme, rundliche alte Frau war, nun keine große Schönheit mehr, aber gutaussehend und stets vergnügt. Kiril fand großen Gefallen an ihr.
Ual behandelte Kiril in der Öffentlichkeit wie einen Lieblingsbruder und im privaten Bereich wenig anders, aber mit ausgedehnteren Freiheiten. Sein Gattenzustand wurde nicht betont herausgestellt und auch nicht durch ein Ritual formell bestätigt, denn er war noch nicht Vater. Sie hielt ihn nicht davon ab, Beziehungen mit anderen weiblichen Mitgliedern der Familiengruppe einzugehen, aber Kiril verspürte keine Neigung dazu. Zu Zeiten war ihm das ganze Arrangement eine rechte Last. Nach einem Monat ‚Ehe’ schlief er immer öfter an Bord der Dreizack. Er mochte sich selbst nicht ob seiner Unfähigkeit zur Anpassung, aber er kannte die Gründe dafür. Sein ganzes inneres Wesen stand ihrer Art zu leben fremd gegenüber.
Es war schwer, der Tatsache ins Auge zu sehen – einer sehr unkristlichen Tatsache –, daß es im Bereich menschlicher Erfahrung viele Wege gab, glücklich zu sein und ein gedeihliches und frommes Leben zu führen. Einige dieser Wege widersprachen einander.
Während seine Ernüchterung wuchs, wuchs auch seine Liebe für Ual. Halbherzig, krank vom inneren Widerstreit, rang er mit sich. Er konnte die Dinge nicht einfach so laufen lassen, bis die Dreizack ihre eigene Lösung anbot. Er mußte vorher handeln.
Ual wurde im ersten Monat nicht schwanger. Ihre Blutung kam, etwas, über das Kiril sehr wenig wußte, und sie wurde von den anderen abgesondert, bis der Menstruationsfluß aufgehört hatte. Dies war nie die Sitte in Mediwewa gewesen, aber Kiril akzeptierte es. Es gab ihm Zeit, seine Gedanken zu ordnen.
Als Ual wieder aus der Abgeschlossenheit hervorkam, nahm ihre Arbeit beim Wiedergeburtskomitee sie für einige weitere Tage voll in Anspruch. Sie sahen sehr wenig voneinander. Dann schaffte Kiril es, sie von ihrer allgegenwärtigen Familie wegzuziehen, von ihrem Amt im Komitee, aber nicht von ihrer Vertieftheit in Gedanken an beides. Zuerst hörte sie nur mit halbem Ohr hin, als er versuchte, seine Probleme in Worte zu fassen.
Sie saßen am späten Nachmittag eines religiösen Feiertages auf dem leeren Gemüsemarkt von Mappu. Eine schwache Brise verstreute kleine Stückchen getrockneter Zweige und Blätter quer über den ganzen Platz; es klang wie das Klicken und Schaben von Hundeklauen auf Pflaster. Er gestand ihr, daß er es schwer fand, glücklich zu sein.
„Davon hast du mir bisher nichts gesagt“, versetzte sie.
„Ich versuche die ganze Zeit, es mir selbst zu erklären. Ich vermag es nicht.“
„Weil du gehen mußt, deswegen bist du unglücklich.“
„Das mag sein. Aber auch, weil ich mich nicht in das einfügen kann, was du tust, in deine Familie und all das. Ich bin ein Wanderer, gut, aber es gibt eine Menge feststehender Dinge in meinem Leben, die es mir unmöglich machen, so zu sein wie du.“
„Oh“, sagte sie. „Aber du ziehst ohnehin bald weiter. Genieße, solange du kannst.“
Er schüttelte den Kopf. Es ließ sich eben nicht erklären.
„Ich würde dich gerne um etwas bitten“, sagte Ual ruhig, indem sie zu ihm aufblickte, um seine Reaktion zu beobachten. „Ich würde gerne ein vorteilhaftes Angebot nutzen, das mir sehr hilfreich sein wird, wenn du gehst. Ein Mann hat sich mir als Gatte angetragen, und die Verbindung unserer Familien wäre wünschenswert.“
„Wenn ich erst einmal weg bin, brauchst du meine Erlaubnis nicht mehr.“
„Ich würde ihn schon vorher heiraten, aber ich gab dir ein Versprechen. Du würdest mich davon entbinden müssen.“
Kiril starrte sie an.
„Er wird nicht mein Paarungsgatte sein, bis du weitergereist bist“, versicherte sie ihm.
Er war empört. „Das kann ich nicht erlauben“, sagte er, wohl wissend, daß er sich verachtenswert verhielt. „Das ist nicht richtig.“
„Aber wir lieben uns doch jetzt.“
„Du liebst MICH!“
„Ja.“
„Warum versuchst du dann nicht, mich davon abzuhalten, wegzugehen?“
„Ich mag dich. Niemals könnte ich dich von deinem Pfad abbringen.“
„Aber wenn du mich wirklich liebtest, würdest du versuchen, mich so lange zu halten, wie du es eben vermöchtest,
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