Die Obelisken von Hegira
komme, was da wolle.“
„Ich liebe die Bilder am Himmel bei Nacht, wenn die Feuertauben aufziehen“, sagte sie. „Aber ich kann sie nicht daran hindern, sich zu verändern, und jede Nacht sind sie verschieden.“
„Es muß doch etwas … etwas falsch sein, wenn zwei Menschen einander nicht besitzen wollen, solange sie nur können.“
„Aber ich will dich doch.“
„Nicht für immer.“
„Ich bin mir nicht ganz sicher, was dieses Wort bedeutet. Ich habe mich eingehend damit beschäftigt. Ich glaube nicht, daß es ein Immer gibt.“
„Solange wir leben.“
„Ah! Aber nach unserem Tode sorgt Dat dafür, daß wir einander nie wieder in anderen Körpern begegnen, um uns zu vereinigen. Es ist ein Naturgesetz, daß alles voneinander scheiden muß. Ich kann nicht dagegen ankämpfen. Du kannst es auch nicht. Nepheru-Shaka wird dich nach Weggismarche entführen, und auch dort wird es Dinge geben, die du tun mußt.“
Kiril konnte darauf nichts entgegnen. Sein Gehirn war ein Knoten von Gedanken, sie alle gültig und berechtigt, alle lächerlich.
„Außerdem hast du mir erzählt“, fuhr Ual fort, „daß du einen Menschen retten mußt, den du von ganzem Herzen liebst. Davon kann ich dich nicht abhalten.“
„Ual, das hat doch nichts zu tun mit –“ Er hielt inne.
Oh doch. Es hatte sogar alles mit dem zu tun, was er hier tat. Im Augenblick war Elena ihm völlig gleichgültig. Er wollte nur Ual, und er wollte sie ohne all das andere, fern von ihrer Familie, fern von Bar-Woten und Barthel, von der Dreizack, sogar von Golumbine, weit weg in einem Nirgendwo ohne Konflikte und Probleme. Anders ging es nicht. Nur so konnte er sie besitzen, sie halten, und nur so wollte er sie haben. Kiril wußte, daß das hoffnungslos unreif und destruktiv war. Es schmerzte, daß er sich nicht davon freimachen konnte, das zu wünschen.
Sogar unter idealen Bedingungen würden sie einander zerstören. Sie war wie ein Fisch auf dem Trockenen, wenn man sie von ihrer Familie trennte. Losgelöst von seiner Mission, Elenas Doppelgänger zu finden, wäre er wieder bloß ein junges Bürschchen ohne innere Stärke und Lebenszweck. Er würde von Leben zu Leben wandern und wahrscheinlich nicht einmal in der besten aller Zeiten mit Ual Glück finden.
Er streckte die Hände in einer resignierenden Geste vor sich aus und sagte ihr, daß es so nicht weitergehen könne. „Für mein Gefühl ist es nicht richtig“, sagte er. Daraufhin geriet sie in Rage.
„Du weißt nicht, was Liebe ist!“ sagte sie. „Du willst, daß alles für immer währt.“
Er nickte.
„Als würdest du uns daran hindern, uns jetzt zu lieben, beim Wiederaufbau mitzuhelfen, und das nur, weil du weggehen wirst. Ich verstehe das nicht.“
Es blieb ihm nichts anderes übrig, als wütend zu werden. „Du wirst ein Dutzend Gatten nach mir haben“, sagte er, und seine Stimme mahlte tief in seiner Kehle. „Warum vergißt du mich nicht einfach, schreibe mich ab als fehlgeschlagenen Versuch?“
„Jetzt bist du unvernünftig und gefühllos“, sagte sie.
„Ohne Zweifel. Es schmerzt mich, mich so zu verhalten.“
Sie saßen im Schatten eines weitausladenden, hohen Farns auf dem Gemüsemarkt und schauten einander ein paar lange Sekunden an. Kiril fühlte sich, als stehe er außerhalb der Zeit. Die Myriaden Drücke und Zwänge summierten sich alle auf zu einer großen Triebkraft, der er so gewißlich nachgab, wie ein Pfeil von seinem Bogen schnellt.
Sie stand auf, wollte weggehen.
„Nein“, sagte Kiril, indem er seine Hand ausstreckte, um die ihre zu ergreifen. „Ich möchte nicht, daß du gehst, ohne zu verstehen. Ich möchte uns beiden helfen zu verstehen. Du bist die erste Frau, die ich jemals hatte. Ich bin froh darum. Du hast nichts getan, was mich hätte verletzen können. Aber nach einer Weile würde ich wie ein Felsklotz um deinen Hals sein. Du würdest dir andere Gatten nehmen wollen, und ich würde dich nicht lassen. Allein wenn ich jetzt nur daran denke, macht mich das wütend auf mich selbst – und auf dich. Weil du nicht sein kannst, was ich will, das du bist.“
„Kann das überhaupt irgend jemand?“ fragte sie, eine flüchtige Kälte in der Stimme.
Er sprach sanft und leise, und seine Worte waren bestimmt. „Nicht jetzt. Aber du ganz besonders nicht. Ich glaube, wir müssen einander verlassen. Laß es uns nicht voller Bitterkeit tun.“
„Es gibt keine andere Möglichkeit“, sagte sie. „Anders wird die Trennung nicht endgültig sein. Ein
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