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Die Oder gluckste vor Vergnügen

Die Oder gluckste vor Vergnügen

Titel: Die Oder gluckste vor Vergnügen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rolf Ulrici
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Sechssitzer und kutschte in die Stadt, um für seine Damen Badeanzüge zu besorgen. Dann ging’s über die Brücke, an das grüne Ufer mit dem weißen Strand.
    Die Stadt blieb zurück, grau, bemoost, von grünen Tupfern munter durchwirkt.
    »Jubelndes Rokoko«, sagte Heia.
    »Knochenschüssel in der Sonne«, sagte Patschemädchen. Man konnte nicht mehr von ihnen verlangen.
    Ich lag mit den Damen im Sand.
    Plötzlich donnerte der Wagen über die Brücke zurück. Heia hatte Cotta und Bibi nicht erst in die Kabinen gelassen. Er hatte sie einfach gekidnappt. Die Damen waren mißgestimmt, lebten aber etwas auf, als sie meinen Ärger sahen. Wuschi fragte, ob ich Kindergärtner sei. Wegen der Schulmädchen.
    Cotta fanden sie apart. »Ein kleiner Hollywoodstar«, sagte die Dame Patschemädchen. Bibi gefiel ihr weniger. »Eine Kuh aus dem deutschen Wald.«
    Aber wenn schon Kuh — und ausgerechnet aus dem deutschen Wald — , sie waren beide auch nichts anderes. Das Äußere konnte nicht täuschen. Ein bißchen Zigarettensnobismus, Heia zuliebe. Mondän? Ach, die armen Hühner. Ihre Blicke zur leeren Brücke sagten genug. Jede hoffte, von Heia ganz altmodisch geheiratet zu werden.
    Vom Kirchturm schlug’s Mittag. Auf den Feldern verebbte das Sensengedengel. Ein Dampfer zog drei Kähne von Stettin herauf und legte den Schornstein unter der Brücke um.
    Da lag man Ohr an Ohr mit dem grünen Land. Und die Damen sprachen von Madeira.
    Wo blieben Cotta und Bibi?
    Cotta ließ sich gewiß nicht beirren. Aber Bibi hatte so einen langen Hals gemacht. Und Heia würde sehr artig sein. Er würde mit ihnen das Wasser des Vertrauens trinken. Und er ließ erwachsene Damen ihretwegen schwarz werden. Wenn das nicht wirkte...
    Aber dann kam der Mercedes zurückgedonnert. Mit Paketen und Tüten beladen, stiegen Bibi und Cotta aus. »Wir waren in Stettin, haben dort gespeist. Was Richtiges, nicht nur Käsekuchen mit Hering wie hier«, sagte Heia.
    Bibi schien ein bißchen berauscht. Heia hatte ihnen alles gekauft, was ihm in den Sinn gekommen war. Bootsschuhe, Hängematten, Picknicksachen... Er hatte sich als guter Onkel aufgespielt, und dem hatten sie nicht widerstehen können...
    »Und nun das Tanzfest«, sagte Heia.
    Die Damen Wuschi und Patschemädchen wollten lieber nach Berlin, endlich einmal ausschlafen. Doch Bibi und Cotta horchten auf. Tanzen? Bibis Fußspitze bewegte sich schon... Ein Fisch muß schwimmen. Ein Mädchen muß tanzen.
    »Ich trommele ein paar Leute zusammen und suche ein Lokal«, sagte Heia. Seine Damen gaben den Widerstand auf. Aber sie mußten die Schwofkleider plätten. Schwofkleider? Bibi und Cotta machten lange Gesichter. Sie hatten nur Knieröcke und Trainingshosen.
    Da zeigten die Damen Korpsgeist. Ausstattungsfragen — das treibt die verschiedensten Weiber zusammen. Sie verschwisterten sich geradezu mit Cotta und Bibi. Das Wirtshaus verwandelte sich in eine Schneiderei. Heia kaufte billigen Stoff und buntes Krepppapier. Und Leinenpumps für sechs Mark fünfzig und Talmiketten und Armbänder aus einem Gartzer Geschäft.
    In der Gaststube, im Zimmer und in der Küche wurde skizziert und zugeschnitten und genäht und gebügelt. Ich störte überall.
    »Rexchen«, sagte Bibi, »geh in den Garten und probiere Heias Hängematten aus.«
    Ich ging.
    Was da drinnen geschah, nannte Heia: »Die Käfer kriegen eine neue Schale.«
    Und das Schalekriegen schien für Frauen nicht minder bedeutsam zu sein als das Kinderkriegen. Was tat es, daß die Ballkleider halb aus Fahnenstoff, halb aus Papier bestanden? Für Mädchen ist Illusion ernsthafte Realität. Die Realität des Sichverschönerns. Da ist jedes Mittel recht. Auf den Effekt kommt’s an.
    Und dann fuhren wir also zum Tanz ins Waldhaus »Fernsicht« an der Oder, unterhalb der Stadt.
    »Ich hab’ vorhin ein paar Tanzbeine gesammelt«, sagte Heia. Die Tanzbeine standen schon da. Es waren drei Sägewerksjünglinge mit Mädchen, ein Oberjüngling aus der Meierei und zwei Fräuleins aus Kaiser’s Kaffeegeschäft. Heia begrüßte sie wie alte Bekannte.
    Der Wirt kam mit Smokingschleife und Bootsschuhen. Im großen Saal war die Tafel gedeckt. Durch die Fenster sah man die abendliche Oder. Heia rieb sich die Hände. Ob Monte Carlo oder Gartz - einzig wichtig war der Trubel. Er sorgte sofort für das nötige Durcheinander. Die Pärchen wurden getrennt, er selbst placierte sich zwischen Cotta und eines der hübschen Ladenfräuleins. »Herr Wirt, Forellen!«
    Der Wirt

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