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Die Oder gluckste vor Vergnügen

Die Oder gluckste vor Vergnügen

Titel: Die Oder gluckste vor Vergnügen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rolf Ulrici
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bedauerte.
    »Aber da unten ist doch ein Fluß!«
    Das war die Oder und kein Gebirgsbach.
    »Schön. Dann kaltes Kaßler. Hauptsache Fröhlichkeit.« Heia wandte sich an die Sägewerksmädchen: »Was trinken Sie? Mosel?«
    »Ich möchte lieber Wein«, sagte die eine.
    Langsam tauten die Gäste auf, wogegen Wuschi und Patschemädchen immer mehr vereisten. Heia charmierte zu sehr mit Cotta.
    Der Wirt tischte auf. Trotz der Bootsschuhe wußte er, wen er da vor sich hatte. Die Wirte selbst der entlegensten Lokalitäten sind Psychologen. Und Autoritäten, was günstig ist für die Stimmung. Er erkannte Heia an, folglich taten alle anderen desgleichen. Schon plauderte der Oberjüngling eifrig mit Bibi, reichte ihr Kartoffelsalat, Weißbrot und Salz. Die Gläser klangen.
    »Tanzen!« gebot Heia.
    Bibi und Cotta raschelten aufgeregt mit ihren Kostümen. Es war erstaunlich, was die Heia-Damen da gezaubert hatten: Cotta in Gelb, schwarz abgesetzt, mit Papierrosetten besteckt, Bibi in Violett mit Weiß. Bibis Zöpfe waren zu einer abenteuerlichen Frisur verarbeitet. Altägypten, etwas auf Pommern. Der Oberjüngling tanzte gleich mit ihr ab.
    Auf dem Stuhl spielte ein Koffergrammophon.
    Ich tanzte mit Wuschi und Patschemädchen. Heia ließ keine Runde mit Cotta aus. Er hielt sie wie eine Glaspuppe, und diese Behutsamkeit verfehlte ihre Wirkung nicht. Ich hörte, wie er seine heimtückischen Pläne offerierte: »Eine Autotour an die See... Gleich morgen früh...«
    Ich ging in den Garten. Die Dame Wuschi kam mir nach. »Na, Junge«, sagte sie, »tut’s weh?« Wir nagten an unserem Ärger, jeder am anderen Ende. Ich wegen Cotta, sie wegen Heia.
    »Was wollen Sie denn mit so jungen Mädchen?« sagte Wuschi. »Die suchen Trubel und Lustigkeit, mehr nicht. Hier, trinken Sie von meinem Sekt!«
    Ich trank von Wuschis Sekt.
    »Bei mir ist das anders«, sagte sie. »Mir hängt der Trubel zum Halse heraus. Ich will Ihren Vetter heiraten und aus ihm und mir normale Menschen machen.«
    Sie hatte offenbar ihre Sternstunde.
    »Wozu tanzen! Abends friedlich ins Familienbett wie meine eigene Großmutter. Das. Aber das ist kein Ideal für Ihre Schulmädchen. Die wollen was für die Schuhsohlen und fürs Auge. Parkett und Licht — aber nichts fürs Herz. Die sind noch nicht soweit.«
    Ich wollte das nicht hören, ging wieder in den Saal und tanzte mit Cotta. Und weil ich eine Wut auf sie hatte, erschien sie mir aparter denn je.
    »Dein Vetter ist nett!«
    »So.«
    Cotta sah mich prüfend an. Ihr grüner Blick war nicht mehr kühl. Heia hatte ihm Wärme verliehen. »Er will mit uns an die Bäderküste. Ich kenn’ ihn ja jetzt — und die Frauen auch. Das kann doch sehr lustig werden, nicht?«
    »Sehr«, sagte ich bitter. »Und was wird aus Pustekohl?«
    »Der schwimmt uns nicht weg. Vielleicht kommen wir noch mal her.«
    »Vielleicht.«
    »Rex«, sagte Cotta, »was hast du? Doch nicht etwa einen Leithammelkomplex?«
    »Nein, sondern nur was gegen Heia-Pläne. Es war ausgemacht...«
    »Es war nicht ausgemacht, daß wir am Gängelbande gingen«, sagte Cotta. Sie nahm Heias Arm und tanzte mir davon.
    Ich spülte die bittere Pille mit Sekt hinunter und tanzte mit Bibi.
    Bibis Wangen glühten, es pochten die Äderchen an ihrem Hals.
    »Kennst du Cottas Pläne?« fragte ich in der Absicht, sie dagegen aufzustacheln. »Sie will mit Heia an die Bäderküste.«
    »Wir mit?« fragte Bibi zurück. Sie schien bereit, mit der ganzen Bande rund um den Erdball zu tanzen. Federleicht schwebte sie im Kreise, leichter als Cotta, obwohl Cotta doch graziler war.
    »Ach, Rex, der Sekt... mir wird schwindlig...«
    Ich vergaß, daß ich eine Wut auch auf Bibi hätte haben müssen. Ihre Lider vibrierten. Und sie war wie drei Mädchen auf einmal.
    »Wie viele Gedichte bin ich wert?« fragte sie atemlos.
    »Tausend«, sagte ich.
    »Nur?«
    »Zweitausend!«
    »Ich will mehr. Ich will einen Dichter, der nur für mich schreibt.«
    »Einen vereidigten Bibi-Poeten?«
    »Ja.«
    Oh, Gefahr. Der Blick... man wußte nicht, war es ein entleibter oder ein entseelter. Gab es Mädchen, die einen so schwindlig machen konnten?
    Wir blieben stehen.
    »Gefall’ ich dir mehr als Cotta?« Ihre Lippen öffneten sich, bereit, sich die Kindheit wegküssen zu lassen. Ich brauchte jetzt nur zu sagen...
    Aber was war das? So still alles um uns? Wir drehten uns um und begegneten Cottas düsterem Blick. Cotta saß am Tisch, allein. Die Girlanden hingen, die Flaschen lagen.
    »Na, ihr zwei?«

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