Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Oder gluckste vor Vergnügen

Die Oder gluckste vor Vergnügen

Titel: Die Oder gluckste vor Vergnügen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rolf Ulrici
Vom Netzwerk:
fragte Cotta. »Seid ihr aufgewacht?«
    »Cotta!« rief Bibi erschrocken. Sie raschelte zu ihr hin.
    »Ich will deine Trostküsse nicht«, sagte Cotta.
    Wir hatten ja aber nur getanzt. Ich setzte Cotta dies auseinander, und Bibi trank gierig Sekt. Plötzlich hielt sie inne. »Hört mal, es donnert. Ein Gewitter!«
    »Quatsch«, sagte Cotta. »Gewitter! Ihr kommt wirklich vom Mond. Habt ihr nichts gemerkt? Ein Riesenkrach ist. Sie jagen sich durchs ganze Haus.«
    »Wer?«
    In diesem Augenblick platzte die Dame Patschemädchen herein. Sie hielt sich die Wange. Sie heulte. Sie sagte: »Heia hat mich geschlagen.« Sie schluchzte und nahm ein Sektglas, warf es hin. Warf sich selbst über den Tisch.
    Bibi starrte entgeistert zu ihr hinüber. Draußen bollerte ein Kanonenschlag. Das kam von der Kegelbahn.
    Dort fand ich Heia, einen Jüngling und einen ungeladenen Gast. Die beiden hatten Flaschen beiseite gebracht, und Heia hatte sie dabei erwischt. Wie alle freigebigen Leute liebte er es nicht, hinterrücks erleichtert zu werden. Man bewarf sich mit Kegeln. »Ihr Schufte!« brüllte Heia.
    Das peinlichste waren die Umstände, unter denen er den Dieben auf die Schliche gekommen war. Er hatte mit einem der Mädchen ausgerechnet hinter dem Busch schäkern wollen, hinter dem die Beute versteckt war. Sein Zornesausbruch hatte Wuschi und Patschemädchen angelockt. Heia ohrfeigte den ungebetenen Gast wegen der Flaschen, und die Damen ohrfeigten Heia wegen des Mädchens. So war der Kreis geschlossen, der Strom der Disharmonie jagte durch das Fest. Alles löste sich auf. Der Wirt rief nach Heia wegen der Rechnung.
    Wo waren Bibi und Cotta? Ich fand sie total ernüchtert an der Anlegestelle. Das Ufer fiel hier direkt aus dem Wald heraus in den Fluß. Über Greifenhagen schimmerte Wetterleuchten.
    »Eine Frau zu schlagen!« rief Bibi außer sich.
    Sie rissen die Papierschärpen und Rosetten ab und warfen sie in die Oder. Bibi schmiß sogar die Pumps. Es machte ihr nichts, daß sie nun barfuß gehen mußte. »Ich werfe auch die Rosen weg«, sagte sie. »Von einem Frauenschläger will ich keine Rosen.«
    Der Frauenschläger war das schlimmste. Was er sonst mit den Damen machte, war Privatsache. Aber das Schlagen beleidigte das ganze Geschlecht. Das würden sie ihm nie verzeihen.
    Ich ließ im Saal einen Zettel zurück: »Heia, wir gehen in die Heia. Vielen Dank. Wiedersehen in Berlin!«
    Dann traf ich mich mit Bibi und Cotta, die am Sandweg warteten. Bibi trug die Strümpfe in der Hand.
    Wir trabten über Wurzeln und Steine, tappten die nächtlichen Gartzer Gassen entlang. Zwei Uhr schlug’s vom backsteingotischen Turm.
    Wir gingen über das Hoppelpflaster. Bibi immer barfuß.
    Kurz ist der Schmerz, und ewig ist die Freude. Der Spuk war aus, die Ferien fingen wieder an.

Ein Schifflein sah ich fahren

    Wenn der Rhein ein Mondscheinfluß ist, die Weser ein Strom des Morgens, mit Nebeln, durch die das Reh zur Tränke geht, so ist die Oder die Schlagader des Mittags. Auf silbernen Wassern fließt der Mittag heran, er berührt die Ufer, und alles erstarrt. Die Dinge, eins mit ihren Schatten, stehen geblendet. Im Korngold dösen die Backsteintürme. Es dösen die Kühe. Es schläft das Obst in den Gärten.
    In dieser Stunde, der schönsten Oderstunde, tuckerten wir los. Unser schwimmender Straßenbahnwagen war mit Sachen vollgestopft. Die Scheiben klirrten, der Kühlwasserstrahl sprudelte. Hinter uns tanzte ein Beiboot, so groß wie ein halbes Osterei.
    Herr Pustekohl war zur Kontrolle ein Stück mitgefahren. Er hatte sich in einem Ruderkahn angehängt. In der ersten Flußkrümmung löste er die Kette und sah uns nach, unbeweglich — ein Bootsbauerdenkmal mitten auf dem Strom.
    Nun war er weg. Weg war auch der Gartzer Kirchturm. Wir schwammen ganz allein in die Fremde.
    Bibi tobte ausgelassen umher. »Rex, Rex, warum sind die Fenster eigentlich so groß?«
    »Damit die Fische ein schönes Aquarium haben, wenn wir untergehen«, sagte Cotta. »Nun hört mal: Wie nennen wir das Boot? >Vera< finde ich scheußlich.«
    »>Aurora<«, schlug Bibi vor.
    »Steigerung von Kuhgeschmack ist Bibigeschmack«, murmelte Cotta.
    »Wie wär’s mit >Stella    Bibi machte Schiffsvisite. »Wir haben sogar eine Pumpe. Und zwei ulkige Anker. Und niedliche Laternen. Und eine Batterie. Aber wo ist der Kompaß?« Als Kompaß hatten wir nur

Weitere Kostenlose Bücher