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Die Oder gluckste vor Vergnügen

Die Oder gluckste vor Vergnügen

Titel: Die Oder gluckste vor Vergnügen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rolf Ulrici
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aufzulösen. Plötzlich sagte sie: »Ich habe keine Angst. Ich will kein albernes Schulmädchen mehr sein und mir von jeder hergelaufenen Rollschuhperson vormachen lassen, was Leben ist.«
    Ich hob den Kopf. »Ach!« sagte ich. »Um Bibi etwas vorauszuhaben, wie? Um morgen als erwachsene Frau am Dampfer zu stehen und Bibikind in die Arme zu schließen?«
    »Das ist boshaft. Laß mich los!«
    »Es klingt so theoretisch, was du da plapperst.«
    »Bibi wäre nicht so theoretisch. Bibi ist Heidin, ich bin Christin. Wenn ich etwas auf mich nehme, so tue ich’s bewußt. Das muß man doch, wenn man erwachsen sein will, sonst bleibt man eine Göre, so oder so. Das weiß ich. Und ich plappere, damit du siehst, daß ich mich nicht nur so einfach fallenlasse. Ich dachte, es wäre dir lieber so.«
    »Du dummes Kind!«
    Das Akademische schwand. Dafür nahm das Ohrensausen zu und das Gefühl einer bestürzenden Wonnigkeit.
    Auf einmal gab es in der Scheune drunten einen furchtbaren Krach. Jemand brüllte wie ein Stier. Ein Schloß klirrte. Ich raffte mich auf, suchte Halt und hatte schneller einen Schuß im Bein, als ich »hallo« sagen konnte.
    Der Bauer mußte verrückt geworden sein. Hinter ihm kam eine schreiende Frau mit einer Lampe. Verhandeln hatte keinen Sinn, ich sah, wie er das Gewehr wieder hob.
    Wir kletterten durch das Heu zur Luke und sprangen von der Hälfte der Leiter auf den Sandweg. Als wir das Schild erreicht hatten, hielten wir keuchend inne und lauschten.
    Nichts. Es folgte uns niemand.
    »Was ist mit dem Bein?« fragte Cotta.
    »Es blutet, aber ich glaube, es ist nicht schlimm, Kleinkaliberstreifschuß.«
    Wir gingen am Ufer entlang, fanden das Beiboot und setzten über. Die Bordwand schimmerte weiß.
    »Soll ich dich hinüberheben?« fragte Cotta.
    Ich lachte. Sie lachte mit. Als wir an Bord waren, atmeten wir auf. »Was mag sich der Kerl bloß gedacht haben?« fragte Cotta. »Schützt das Volksvermögen, wie? Ich dachte, die Welt geht unter.«
    »Schöner Höhepunkt für eine Liebesnacht«, murmelte ich.
    »Ob wir nicht doch lieber weiterfahren?«
    Ich fand es zu umständlich, den Kahn jetzt flottzumachen. Ich glaubte auch nicht, daß der Wüterich mit seiner Knarre im Gelände umherlaufen werde. Der hatte nur Angst vor Brandstiftung gehabt.
    Wir gingen in die Kajüte. Cotta machte Licht. »Zeig mal das Bein.«
    Ich krempelte die Hose über der Wade hoch.
    »Du mußt dich auf den Bauch legen. So kann ich nichts sehen.« Sie sprach wieder so förmlich wie »vor der Scheune«. Wir stellten fest, daß es wirklich nur ein Kleinkaliberstreifschuß war. Nicht schlimm, nur blutig.
    Cotta holte einen ungefügen Kasten hervor, Pustekohls Schiffsapotheke. Es war sogar ein rotes Kreuz darauf. Nun wurden wir Lazarettschiff.
    »Himmel, was da alles drin ist«, sagte Cotta, ratlos in den Kasten starrend. »Es sieht so unmedizinisch aus. Aber hier ist eine Wundsalbe.«
    Autsch, das brannte wie Bootsfeuer.
    Cotta wickelte eifrig den Verband. Er war schon etwas gelb, anscheinend mehrfach gebraucht und gewaschen. »So, und nun mußt du das Bein hochlegen und stillhalten.«
    Sie machte Tee. Das Summen des Kochers war beruhigend. Nun erlaubte sie sich auch ein wenig Nachdenklichkeit. Man sah es an ihren Augen.
    Plötzlich sagte sie: »Was machen wir mit Bibi?«
    »Wir adoptieren sie.«
    »Ach.«
    »Wir können ihr doch nicht als Ehepaar entgegentreten.«
    Sie reichte mir eine Tasse Tee. Eine Tasse von Pustekohl, dick und gewissermaßen seegängig. Dann setzte sie sich auf die andere Polsterbank.
    Ich sah das Glimmen in ihren Augen, als sie nachdenklich vor sich hin schaute — wie eine Tigerkatze, aber eine, die nicht von Dompteuren, sondern von Missionaren erzogen wurde. Gab es ein schöneres Mädchen? Sie war viel schöner als Bibi.
    »Ich habe keine Angst«, sagte sie.
    »Angst nicht, aber Ferien. Und die wären hin.«
    Sie blies in ihre Tasse und sah mich durch den Dampf hindurch an. »Wir werden ihr nichts sagen.«
    »Gut.«
    Dieses Einvernehmen war der Höhepunkt der Liebesnacht.
    Es folgte ein langes, feierliches Schweigen. Endlich fragte sie: »Was macht das Bein?«
    »Es blutet nicht mehr.«
    »Ich werde Wache halten. Was haben wir für eine Waffe?«
    »Bibis Wasserball.«
    Cotta holte den Bootshaken, und wir wickelten uns in die Decken. Es waren genug da, auch Kissen mit frischen Bezügen. Frau Pustekohl hatte nicht nur die Hakenkreuzfahne gewaschen.
    Ich rauchte still.
    »Cotta...?«
    Cotta schlief unter schwarzen,

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