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Die Oder gluckste vor Vergnügen

Die Oder gluckste vor Vergnügen

Titel: Die Oder gluckste vor Vergnügen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rolf Ulrici
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Vernehmungskopierstift und unterhielt sich durchs offene Fenster mit einer Frau. »Na, was macht der Olle?« Der Olle von der Ollen war krank. »Er soll mal nach meinen Johannisbeeren sehen, wenn er wieder auf is. Die verlier’n immer die Blätter. Er weiß schon. Die Sorte Heros.«
    »Wann verlier’n sie die Blätter?« rief die Frau von draußen. ‘ »Vor oder nach der Ernte?«
    »Nach«, sagte der Oberwachtmeister. »So, und nun zu unserem Fall.« Eine Weile kamen Wanns, Warums, Wies und Wos. Personalien, Reisegrund, Begleiter. Er drehte die Fragen durch die Häckselmaschine und die Antworten auch. Die Antwort »Vergnügungsreise« ließ sich nicht so rasch zerkleinern.
    »Nach Gartz?« Wo denn da das Vergnügen sei? Die einzigen Besucher, die herkämen, hätten Verwandte in der Stadt. Ob wir Verwandte hier hätten? Nein. Ich wies auf die Sehenswürdigkeiten hin, das alte Tor, die Kirche, die Badeanstalt.
    Hm. Sein Heimatstolz regte sich, aber er unterdrückte ihn aus dienstlichen Gründen. »Mit Pustekohls Boot sind Sie gefahren?«
    »Ja.«
    So, richtig, aha. Nun kämen wir der Scheune schon näher. Der Scheune von Herrn Priefert, unterhalb von Mescherin. Es handelte sich nämlich um den Schuß. Da habe die Frau von dem Bauern angerufen, um einer Anzeige zuvorzukommen. »Heut früh beim Gänseaustreiben hat sie Sie auf Pustekohls Boot gesehen. Mit dem Verband, verstehen Sie? Sie hat’s mit der Angst gekriegt und ist gleich zum Wirtshaus Zoll geradelt, um zu telefonieren. Der Bauer hat in der Aufregung geglaubt, in seiner Scheune ist ein Verbrecher.«
    »Etwas Ähnliches hab’ ich mir bereits gedacht«, sagte ich erleichtert. »Zum Glück ist’s nur ein Kratzer, und ich habe kein Interesse, die Sache an die große Glocke zu hängen.« Ich wollte nur weg, auf der Stelle, um zu sehen, was Herr Percotta mit seiner Tochter angestellt hatte.
    Aber so schnell ließ mich der Dicke nicht aus den Fängen. Er hatte nach dem Bauern geschickt, um ihn gleichfalls zu Protokoll zu nehmen. Jetzt kam er auf die Idee, Cotta als Zeugin herbeizuzitieren. Er wollte Pustekohl anrufen.
    Das fehlte. Im Geiste sah ich sie alle über die Schwelle treten: den Minister, Cotta und Bibi... »Nein!« rief ich. »Bitte! Die Sache ist klar! Was brauchen Sie eine Zeugin?«
    »Die brauch’ ich, um einwandfrei zu klären, ob Sie der Mörder sind — oder nicht«, sagte der Oberwachtmeister.
    »Mörder? Aber die Dame lebt doch noch. Wie kann ich...«
    »Sie könnten der Mörder von Greifenhagen sein. Den suchen wir nämlich. Das ist der, der schon zwei Opfer in Scheunen...«
    Das wurde ja immer heiterer. Wahrscheinlich ging’s jetzt um ein Alibi bis zurück zu den Urvätern.
    Da öffnete sich die Tür, und der Bauer Priefert kam mit seiner Frau herein. Und wenn er mich auch ins Bein geschossen und in diese Lage gebracht hatte, jetzt rettete er die Situation. Eigentlich tat’s mehr seine Frau. Sie sah mich nur an und rief: »Nun sieh mal, auf so einen Jungen hast du geschossen!«
    Herr Priefert gab mir eine knorrige, schuldbewußte Hand und blickte recht kläglich drein.
    »Das war nur seine Furchtsamkeit«, erklärte Frau Priefert resolut. »Wenn er Angst hat, ist er nicht zu halten. Er hört was in der Scheune, nimmt sein Gewehr und rennt los. Ich hab’ ja gleich gesagt, es sind nur Liebesleute.«
    Liebesleute. Sie rief es so laut, daß man Stein und Bein fürchten konnte, es sei in der ganzen Stadt zu hören. Ihr Ton verfehlte seine Wirkung nicht. Der Beamte musterte mich beinahe verschmitzt und nunmehr ohne den geringsten mörderischen Argwohn. Im Stamme der Pommern hat man sich seit eh und je auf die Frauen verlassen, und diese Frauen haben einen untrüglichen Instinkt. Frau Priefert hatte entschieden, ich könne niemals der Mörder von Greifenhagen sein, das habe sie sogar im Dunkeln gewittert. »Liebesleute«, rief sie wieder. »Junge Leute — und das Heu ist warm und weich.«
    »Soll ich das auch aufschreiben?« fragte der Dicke, nicht ohne Humor.
    Es ging noch eine Weile hin und her. Dann legte der Oberwachtmeister den Vernehmungskopierstift hin, räusperte sich offiziell und richtete eine Vermahnung an Herrn Priefert und mich. Wir standen vor ihm wie zur Trauung.
    Man solle nicht unangemeldet in fremde Scheunen, auch nicht, um dem Klapperstorch eine Arbeit zu verschaffen. Und selbst nicht bei Regen. Und was Herrn Priefert betreffe, dessen Gewehr müsse leider auch ohne weitere Verfolgung eingezogen werden.
    »Recht so«, sagte

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