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Die Oder gluckste vor Vergnügen

Die Oder gluckste vor Vergnügen

Titel: Die Oder gluckste vor Vergnügen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rolf Ulrici
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Spiegeleier und röstete Brot. Es fehlte das Salz. »Und ich hatte extra gesagt, sie solle welches besorgen! Hach, wenn man sich auf Bibi verläßt!« Wir aßen also ungesalzen.
    Als die Sonne sank, gingen wir spazieren. Die Grillen zirpten. Mahagonibraune Pferde schaukelten mit den Schweifen. Über unseren Köpfen sammelte sich eine Mückenwolke, die immer mitschwebte.
    Cotta brachte das Gespräch auf das Zirkusmädchen. Das lastete noch auf ihrer Seele, während Bibi sich ihr Bild gewiß längst gemacht hatte. »Ich versteh’ nicht, was sich diese Person gedacht hat. Und was denken sich Männer bei solchen Sachen? Es ist doch schuftig, ein Mädchen zu... zu...«
    »Zu... zu...«
    »...und es dann einfach zu verlassen!«
    »So ist das nicht«, verwahrte ich mich. »Es war ein Vergnügen auf Gegenseitigkeit. Und wenn man kein Kind mehr ist...«
    »Ich bin auch kein Kind«, sagte Cotta. »Ich würde nie ein Ver... auf Gegenseiti... Also, das ist... Du solltest dich schämen.«
    »Wenn dir damit irgendwie gedient wäre?« murmelte ich.
    Cotta blieb stehen. Die Mückenwolke über unseren Köpfen schwankte, teilte sich, die Mehrheit entschied sich für Cotta. Jetzt hatten wir jeder eine Mückenglorie, Symbol des Abstandes und des Zornes.
    »Rex«, sagte Cotta, »ich ahne es: Ehe Bibis Dampfer dreimal tutet, sind wir Todfeinde.«
    »Und warum?«
    »Unvereinbarkeit der Grundsätze. Du hast eine Zirkusmoral!«
    »Und du zu wenig Erfahrung.«
    Der Abstand zwischen den Mückenwolken wurde größer und größer. »Das laß ich mir von meinem Opa sagen, aber nicht von dir«, rief Cotta. »Gehen wir zurück zum Boot. Ich bin schlechter Laune.«
    Es war schon ziemlich dunkel, und nun fing es an zu regnen. Wir warteten schweigend unter Bäumen, aber es ließ nicht nach. Das Boot war weit weg.
    »Da ist eine Scheune«, sagte ich. »Vielleicht finden wir dort Unterschlupf.«
    Eine Leiter führte zu einer Luke. Ich stieg hinauf, Cotta folgte. Das Heu türmte sich bis unters Dach, in Fächern geschichtet. Es duftete betäubend. Mollige Dunkelheit hüllte alles ein.
    Ich raschelte auf die untere Etage.
    »Und ich bleib’ hier oben«, sagte Cotta, noch immer ungnädig.
    Der Regen rauschte.
    »Liegt das Boot sicher?« fragte sie.
    »Ich glaube, ja. Ich hatte nur meine Schlafdecken schon aus der Kajüte genommen.«
    »Dann mußt du dich nachher in Wasser wickeln.«
    Plötzlich ein Schreckensschrei.
    »Was ist?«
    »Ich rutsche!« rief Cotta.
    Von schräg oben kam eine Heulawine. Ich fiel auf den Rücken und hatte unversehens ein Bündel im Arm, kein Heu, sondern Cotta.
    »Laß mich hoch«, sagte sie.
    »Wie denn? Du liegst ja auf mir drauf!«
    »Ach so.« Sie kam aber gegen das Heu nicht an und fiel zurück. Wir lagen aufeinander wie zwei Brötchenhälften. Und vielleicht stimmt der Vergleich nur deshalb nicht, weil Brötchen nicht küssen können, jedenfalls nicht so heftig und ausdauernd.
    Als Cotta bewußt wurde, was da eigentlich geschah, hob sie den Kopf. »Wer...«, japste sie, »...wer hat das Heu ins Rutschen gebracht?«
    »Bibi bestimmt nicht«, sagte ich.
    »Ich will...«
    »Küssen!« murmelte ich.
    Nach einer Weile sagte sie tief atmend: »Bitte, wie ist das bloß möglich, ich hatte keine Ahnung...«
    »...daß Todfeindschaft so süß schmeckt?«
    Sie fragte mit Herzklopfen: »Küssen alle Leute so lange? Hast du jemals?«
    Nein. Dies war die reine Wahrheit. Ich hatte noch kein Wesen erprobt, das zu solcher Ausdauer befähigte. Sie sank mit einem Seufzer auf meinen Ellbogen. Man hätte die Szene getrost in jedem Kino zeigen können.
    »Warum sagst du mir nichts?« fragte sie. »Du mußt mir doch etwas sagen. Daß du mich liebst!«
    »Ich liebe dich«, sagte ich und kam mir vor, als sagte ich dies einem süßen, erhitzten Kind. Wo war die erwachsene Cotta? Mit Bibi war’s genau umgekehrt. Sie war den ganzen Tag ein Kind, hier wäre sie eine Erwachsene gewesen.
    »Seit wann liebst du mich?« fragte sie.
    »Seit ich dich zum ersten Male sah. Damals, bei Tante Norma...«
    »Mich?« sagte Cotta mit ganz heller Stimme. »Ich dachte Bibi!«
    Das hatte ich auch gedacht.
    »Warum liebst du mich?«
    »Weil du so schön unnahbar bist«, sagte ich.
    »Du bist eitel! Das ist ein eitler Grund!« Aber sie sagte es nicht ohne Stolz. »Und ich liebe dich, weil ich mich dauernd über dich ärgern muß. Bibi ist dein schwächster Punkt, ich weiß.«
    »Du weißt nichts.«
    »Liebst du mich mehr als Bibi?«
    »Ja«, sagte ich. Sie schien sich

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