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Die Oder gluckste vor Vergnügen

Die Oder gluckste vor Vergnügen

Titel: Die Oder gluckste vor Vergnügen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rolf Ulrici
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schlaue Fuchs hatte nämlich eine Bezahlung für mehrere Tage zurückgewiesen. Er wollte verhindern, daß wir über das Haff nach Swinemünde fuhren.
    »Ich will aber den Gartzer Kirchturm eine Weile nicht sehen«, sagte Bibi.
    »Wißt ihr was? Wir rücken einfach aus. Wir schicken Pustekohl eine Ansichtskarte aus Swinemünde und die Miete per Post. Aber was ist mit den Koffern? Die sind wahrscheinlich gerade heute nachmittag angelangt!«
    Die Koffer mußten her. Da brachten uns die Kinder auf eine Idee. Sie erklärten, wir könnten hier nicht bleiben, das sei die Anlegestelle des Dampfers, der gleich komme. Der Dampfer Stettin-Gartz.
    Nach kurzer Beratung beschlossen wir, Bibi mit dem Dampfer zurückzuschicken. Sie sollte sich an Pustekohl vorbeischleichen und die Koffer holen. Das war die beste Lösung. Käpt’n Rex mußte beim Boot bleiben, und Cotta war nicht stark genug, die Koffer zu transportieren.
    »Und wenn zwei in Gartz auftauchen, ist das zu verdächtig«, meinte Bibi.
    Wir tuckerten ein Stück weiter, und sie zog sich den Trainingsanzug über ihr Badezeug. Bootsschuhe an und Waschsachen in ein Handtuch gerollt... fertig war sie. Ich gab ihr das Geleit zur Anlegestelle. Schon sah man die Rauchwolke des Dampfers.
    »Ja, Rexchen«, sagte Bibi nachdenklich, »ich komme dann erst morgen früh zurück, nicht? Und wo werdet ihr ankern, heute nacht?«
    »Ich denke, in einer Bucht hinter der Brücke. Soviel ich sehe, ist’s da sehr schön.«
    »Romantisch«, sagte Bibi, in die Ferne spähend.
    Der Dampfer war nahe. Er tutete, und der Schiffsjunge öffnete die Reling. An Deck sah man Gartzer Frauen, die offenbar vom Stettiner Markt heimkehrten. Auch der Rosenbaß mit Strohhut war an Bord. Und neben uns stand schon der Oberförster mit zwei winzigen Dackeln. Er sagte, die wolle er nach Gartz bringen, damit sie jemand säuge.
    Wir streichelten je einen Dackel. Der Dampfer manövrierte mit schäumendem Kielwasser heran. Nun mußte das letzte Wort gesprochen werden. Wir entfernten uns vom Oberförster.
    Bibi setzte die Unterhaltung fort: »Na ja, Rexchen, es wird gewiß recht lauschig mit Cotta. Sie spielt dir was auf der Geige. Das kann ich ja nicht. Aber werd bloß nicht weich!«
    Als der Schiffsjunge den Laufsteg auf den Kai schob, schien sie zu überlegen, welche Garantie sie sich verschaffen könne. Im letzten Moment fiel ihr etwas ein. »Ich weiß«, sagte sie, »du machst mir ein Gedicht. Ein schönes, langes. Fang gleich damit an. Und schicke Cotta früh in die Falle. Dichter müssen ungestört sein. Einverstanden?« — »Einverstanden«, sagte ich.
    Der Rosenbaß winkte, ich winkte zurück. Bibi schritt frohgemut über den Laufsteg. Sie hatte mich mit Schularbeiten versorgt. Nun konnte nichts passieren.
    Mit rauchendem Schlot schwamm der Dampfer ab. Bibis Zöpfe leuchteten wie das Korn. Sie streichelte die Dackel des Oberförsters, mit jeder Hand einen. Und strahlte. Und der Dampfer, auf dem sie stand — wie hieß er doch? Er hieß natürlich »Sieg«.

    Anmerkung der Sekretärin: Im nächsten Kapitel finden sich einige erotische Szenen, in deren Mittelpunkt Sie stehen. Sehr verehrte Frau Cotta — es ist recht charakteristisch für Männer, dergleichen so im Detail schriftlich festzulegen. Ich jedenfalls würde mich noch nach zweiundzwanzig Jahren darüber ärgern. Gruß Luthcher, Sekretärin.

Küsse und Schüsse

    Über die Mescheriner Brücke fuhr mit knarrenden Rädern ein Leiterwagen. Wir tuckerten darunter durch, sahen wieder nichts als Wasser, Himmel, Büsche, Schilf und Wiesen.
    »Da ist eine Bucht«, sagte Cotta.
    Wir ankerten und legten uns bäuchlings aufs Bootsdach. Cotta schrieb Tagebuch, ich blätterte im »Sterbenden Cäsar« und kritzelte mein heimliches Bibi-Gedicht. Als ich zwei Strophen fertig hatte, flog mir der Zettel davon und landete geradewegs unter Cottas Kinn. Sie hielt ihn fest und lugte diskret nach dem Titel. »>Die Oder    »Es ist noch nicht fertig«, sagte ich. Sie reichte mir den Zettel zurück, worüber ich sehr erleichtert war. Das Landschaftsgedicht lautete:

    Die Oder
    Die Oder ist nicht nur ein Fluß,
    Sie ist auch ein Problem.
    Die oder die — ach, der Entschluß
    Ist gar nicht sehr bequem.

    Der oder der — ist nicht so schlimm:
    Der oder jener Zopf...
    Wähl diesen — oder jenen nimm,
    Sie sind am gleichen Kopf.

    Dabei ließ ich’s. Es war zu gefährlich, Bibi unter den Augen der Rivalin zu bedichten. Cotta briet

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