Die Oder gluckste vor Vergnügen
knobeln«, erklärte Bibi. Sie knobelte mit Cotta, gewann und kam zu mir. Cotta hielt so lange das Rad.
Ich knobelte mit Bibi. Diesmal verlor sie. Da aber Cotta nicht hinsah, weil sie auf den Kurs achten mußte, sagte ich: »Sie hat gewonnen. Die Insel gehört ihr.«
Bibi feierte ihre Art von Sieg mit einem Augenglanz, der die Kajüte erhellte. Gleich nahm sie Pustekohls Glas und betrachtete die entschwindende Insel Bibiwerder mit schirmherrlichem Stolz. Cotta lächelte: »Süß, dieses Kind, wie?« Als ob ihr Isola Cotta nicht auch ganz gut gefallen hätte.
Aber nun hatte die Idylle ein Ende. Wir vereinigten uns mit dem Greifenhagener Oderarm und fuhren unter einer Brücke durch. So plötzlich wie ein Bahnhof war der Binnenhafen da. Hier stauten sich die schwarzen Laster, die wir gemach den Strom hatten hinuntergleiten sehen. Hier wurden sie zu neuen Zügen rangiert. Da qualmten die Schlepper, da tuteten sie und zogen ihre Stahlseile quer über den Strom.
Es versteht sich, daß Pustekohls Boot nervös wurde. Es war ja vom Lande, und hier war so viel los. Ich drehte das Steuer so rasch wie ein Rouletterad — und das war oft zu langsam.
»He, ihr, macht euch davon!« schrie ein Schiffer. »Ja, euch meine ich. Das Freudenboot da!«
Ich brüllte allerlei zurück, worüber Cotta jedoch mehr erschrak als der Mann.
Bibi hielt den Ausguck besetzt. »Eine Straßenbahn!« gellte ihr Kolumbusschrei. Schon war da auch eine Zugbrücke, eine hochklappbare Stettiner Straße. Aber wir brauchten kein »Sesam, öffne dich!« Wir waren so klein, wir konnten wie ein Feuchtigkeitstierchen unter der Tür hindurch.
»Der Seehafen!« meldete Bibi.
Hier wurde es hochalpin. Ein Seedampfer, ein richtiger, großer, hielt uns sein Heck hin. Einen solchen Anblick hatten wir durch unsere Pustekohlfenster noch nicht gehabt.
Aber je größer, desto harmloser. Die Riesen taten uns nichts. Gefährlich waren die flinken Barkassen. Allein ihre Wellen hatten Zähne. Die rissen uns fast auseinander.
»Die blauen Flecken, die ich schon habe«, sagte Bibi, »die füllen einen Katalog.«
»Die grünen Flecken nicht«, meinte Cotta. »Die hast du nur hinter den Ohren.« Ich unterbrach das Gespräch über Bibis Blessuren und Reifemerkmale und zeigte ihnen die Hakenterrasse.
Jetzt war wirklich kein Zweifel mehr: Wir waren in Stettin. Die Hakenterrasse! Da stand sie Spalier, ein Festakt aus Stein, um den Fluß nach langem Marsche zu empfangen. Da floß die Oder in Defiliercour vorbei, begrüßt und abgefeiert, bevor sie zu Wasser ging. Und hier sah sie, daß sie es zu was gebracht hatte. Sie, die Olmützer Sumpfgeborene vom Lieselberg, Wanderin durch die Sudeten- und Karpatenlücke, Preußin für siebenhundertsiebzig Kilometer, ehedem bis Ratibor mit Kahnfahrt so bescheiden — und nun, hier, Seehafenfluß und von maritimer Bedeutung. Was für eine Karriere!
Bibi fotografierte die Hakenterrasse, einmal mit Himmel, einmal ohne und einmal den Himmel allein. Dann tankten wir an einer schwimmenden Tankstelle und suchten, einen Anlegeplatz.
Dabei wurden wir fast zermalmt. Wir fuhren zwischen zwei Pontons hindurch, die eben zusammengesetzt werden sollten. Der Schlepperkäpt’n traute seinen Augen nicht.
»Zum Teufel!« schrie er, »wo kommt denn dieser Kindersarg her!«
Danach waren wir eine ganze Zeit weich in den Knien. Nicht nur wegen der Pontons, sondern auch wegen des höchst unerfreulichen Omens.
»Achtung«, meldete Bibi, »ein Polizeiboot.« Es rauschte heran und umkreiste uns wie ein Hai.
»Paßt auf«, sagte Cotta, »die schicken uns nach Gartz zurück.«
Bibi stieg aufs Dach und ließ ihre Zöpfe spielen. Aber das nützte nichts. Es kam eine schneidende Anfrage durchs Megaphon: »He, ihr da! Seid ihr bestellt?«
»Nein, wieso?« schrie Bibi.
»Ob ihr als Nebelwerfer bestellt seid.«
Unser Motor qualmte so.
»Ihr seid wohl aus Vineta?« fragte der Polizist. Er meinte die versunkene Stadt. »Weil man die Glocken läuten hört, wenn man euch sieht!« Und mit der Bitte, möglichst nicht in ihrem Dienstbereich unterzugehen, entfernte sich die Polizei. Wir ließen’s uns nicht verdrießen.
»Wenn Leute im Paddelboot den Atlantik überqueren«, sagte Cotta, »dann kommen wir in Pustekohls Boot auch übers Haff.«
Schließlich fanden wir ein Plätzchen an einer Hafeninsel weiter draußen. Da konnten wir wenigstens ankern.
Cotta stieg ins Beiboot, um sich bei einem Bagger zu erkundigen, durch welchen Hafenarm es zum Haff ging (was die
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