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Die Oder gluckste vor Vergnügen

Die Oder gluckste vor Vergnügen

Titel: Die Oder gluckste vor Vergnügen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rolf Ulrici
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dümmste Möwe im Schlafe wußte, nur wir natürlich nicht).
    Sie steuerte einen Prahm an, der mit Schlamm gefüllt war, und hielt sich mit den Händen an der Bordwand fest. »Hallo«, rief sie, »kann mir jemand sagen...« Die Leute vom Prahm bemerkten sie nicht. Und unser Warnungsschrei verhallte im Wind. Plötzlich stand da das Beiboot mit gesträubten Rudern ganz allein. Der Prahm wurde weggezogen, und Cotta mit. Sie rutschte bis zu den Hüften ins Wasser — in die schwarze Modderpampe, und als sie keine Kraft mehr hatte, ließ sie los und versank bis über den Kopf.
    Ein Boot kam heran und fischte sie auf. Der Mann, der sie im Arm hielt, ahnte nicht, was für eine Schönheit sich in dieser Schlammpastete verbarg. Sonst hätte er bestimmt nicht so geschimpft. Man brachte sie uns an — und auch das Beiboot. Als sie sich ächzend auf die Planken setzte, schrie Bibi: »Iiii, pfui Teufel! So kommt sie nicht in die Kajüte!«
    »Ausgeschlossen«, sagte ich. »Bei aller Liebe, Cotta: In die Kajüte nicht.«
    »Ihr seid gemein«, sagte Cotta speiend. »Es war ein Unfall im Dienst. Ich verlange...«
    »Wo sie spricht, ist der Mund«, sagte Bibi.
    »Aber ich muß mich doch säubern«, jammerte Cotta.
    »Trocknen lassen und dann abbürsten«, lautete Bibis Patentrezept.
    »Aber wie seh’ ich denn aus! Meine Frisur!« ‘
    Von Frisur konnte keine Rede mehr sein. Ein schwarzer Klatsch mit Fransen, das waren jetzt die Ponys. Bibi stimmte der Anblick sehr vergnügt. Welches Weib frohlockt auch nicht, wenn die Schönheit der Rivalin flöten ist?
    Ich erbarmte mich, holte den Kanister mit Trinkwasser und Seife und Bürste und wollte Cotta von der Schmutzhülle befreien. Aber im Hinblick auf das, was dann darunter zum Vorschein käme, griff Bibi ein. Da half sie denn doch lieber selbst.
    Ich wurde aufs Dach verfrachtet. Und nach erster, notdürftiger Überarbeitung fuhr Bibi mit Cotta per Beiboot in die Stadt, zum Volksbad und zum Friseur.
    Als sie wiederkam, war Cotta schöner denn je. Das war die Morast-Kontrastwirkung. Man mußte sie dauernd ansehen. Und Bibi sah aus, als ärgerte sie sich, nicht auch ins Wasser gefallen zu sein.
    Mit Berlin hatten sie schon telefoniert, eine Standortmeldung gemacht und als nächstes Ziel Swinemünde angegeben. »Wir haben aber gesagt, wir fahren von hier aus mit dem Dampfer.«
    So war denn alles in schönster Ordnung.
    Als der Hafen seine Lichter aufsteckte, saßen wir in der Kajüte, tranken Tee mit Rum und aßen kaltes Kotelett, und Bibi drehte mit Fettpfoten die Seekarte um und um und unternahm eine Seelenwanderung nach Swinemünde und konnte es wieder kaum erwarten. Später — sie lagen schon in der Koje — schaute ich noch einmal hinein.
    »Gute Nacht«, sagte ich. »Wie wär’s mit zwei Küssen für Stettin?«
    »Von wem?« fragte Bibi.
    »Von jeder einen.«
    »Genehmigt«, sagten Bibi und Cotta zugleich.
    »Aber erst ich«, rief Bibi. »Sonst krieg’ ich ja einen indirekten Cotta-Kuß.«
    »Das wäre wohl schrecklich, was?« rief Cotta.
    »Schön«, sagte ich, »also erst Bibi.«
    »Ach so«, fiel Cotta ein, »dann schmeckt der Kuß, den ich kriege, nach Bibi. Nein. Erst ich!«
    »Na, gut. Erst du«, sagte Bibi. Die Großzügigkeit kam Cotta verdächtig vor.
    »Aha, ich verstehe!« rief sie. »Den letzten Kuß nimmt er mit in den Traum? Das hast du dir gedacht! Ich komme zuletzt.«
    »Nur so weiter«, sagte ich. »Es ist erhebend, wie sich die Damen um die Küsse reißen!« Da wurde ich hinausgeworfen und kriegte keinen.

Der Kindersarg auf dem Haff

    Ein gespenstiges Licht lag über dem Strom. Ein Himmel wie Perlmutt — und das Wasser war grauviolett. Um fünf Uhr früh tuckerten wir zum Hafen hinaus. Deck und Reling trieften von Tau, an den Scheiben rüttelte der Wind. Bibi hatte Swinemünde nicht versäumen wollen. Nicht mal Zeit zum Rasieren hatte ich gehabt.
    »Was willst du denn?« sagte Bibi. »Jetzt geht es auf See. Da brauchst du einen vorschriftsmäßigen Bart.« Und sie fügte hinzu: »Kuß ohne Bart ist wie Ei ohne Salz.«
    »Na, dann esse ich mein Ei lieber ohne«, sagte Cotta. »Deine Bemerkung, liebe Bibi, zeugt von erotischer Unkultur.«
    »Liebe Cotta«, erwiderte Bibi spitz. »Kultur — davon magst du ja was verstehen.« Sie hängte den Zopf schräg und blickte Cotta frech an. »Aber von Erotik?«
    »Jetzt geht’s um Nautik«, sagte ich schnell. »Seht mal, da ist schon ein Leuchtturm.« Abwechselnd spähten sie durch Pustekohls Glas. In ihren

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