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Die Oder gluckste vor Vergnügen

Die Oder gluckste vor Vergnügen

Titel: Die Oder gluckste vor Vergnügen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rolf Ulrici
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unverletzlich.
    Und nun lagen wir also hier unter den Kiefern. »Wir nehmen unsere Puppe in die Mitte«, hatte Bibi gesagt. »Von wegen des Komplexes.«
    Eine Weile nagte ich an meiner vermeintlichen Schmach. Dann gab sich das.
    Links Bibi, rechts Cotta. Über uns die rauschenden Wipfel.
    Süße Dreisamkeit. Man denkt, die Welt drehe sich nicht. Doch das ist Täuschung, lautlos schnarrt die Uhr, es wird nie wieder so sein. Heut mit beiden hier gelegen, morgen schon auf andren Wegen.
    Ich rollte mich auf den Bauch.
    Die Katzen lagen still und sahen mich großäugig an.
    »Liebe Cotta«, sagte ich, »neben mir liegt, wie du weißt, das sehr verehrte Fräulein Bibi. Gestattest du, daß ich ihr mal tief in die Augen blicke?«
    »Ausnahmsweise«, sagte Cotta.
    Und so beugte ich mich über Bibi. Bibis Kopf lag auf dem ausgestreckten Arm, etwas schräg. Der Blick war ganz gelassen. Er drückte nichts als die unaussprechliche Erfahrung eines so jungen Dinges aus, Erfahrung, wie sie kein Erwachsener mehr hat. Denn das weiß noch vom Ewigen, weil es ihm erst vor sechzehn, siebzehn Jahren entstiegen ist.
    Das Bibi-Gesicht. Ein stiller Wasserspiegel, über den man sich neigt. Der Wasserspiegel kann warten, wie? Er wartet ruhig auf den, der schon schwankend an seinem Ufer steht. Doch wenn er hineinstürzt, schlagen die Wellen über ihm zusammen. Nicht, Bibi?
    Stumme Antwort: Du wirst fallen, und dann gnade dir Gott!
    Cotta beobachtete die Szene mit Interesse. Da sagte ich: »Liebe Bibi, neben mir liegt das verehrte Fräulein Cotta...«
    »Hochverehrt«, sagte Bibi, »hochwohlgeboren...«
    »Die Wie-du-weißt-Ministertochter. Gestattest du, daß ich ihr ebenfalls ins Auge blicke?«
    »Tief?«
    »Tief!«
    »Halbtief«, sagte Bibi.
    Ich neigte mich über Cotta. Bibi hob beobachtend den Kopf. Cottas Pupillen waren so groß, daß die grüne Iris fast verschwand. Die zarten, schwarzen Brauen vibrierten leise. Sie schloß die Augen.
    »Augen zumachen gilt nicht«, bemerkte schiedsrichterlich Bibi.
    » Ins Auge war vereinbart.«
    Entrücktheit war verboten. Cotta öffnete die Augen gehorsam. Sie lächelte. Es war überwältigend, ihr Gesicht von tiefem Ernst ins Lächelnde hinüberwechseln zu sehen.
    »Haaalt...« mahnte Bibi. »Die Nasen sind schon zusammen. Das ist Schummel. Bei den Eskimos wäre das ein vollgültiger Kuß.«
    Ich legte mich wieder hin. »Ich heirate euch beide«, sagte ich.
    »Also, das ist eine halbe und eine doppelte Liebeserklärung«, meinte Cotta. »Was soll der einzelne damit anfangen?«
    »Nee«, sagte Bibi. »Da sehe ich Gefahr, selbst wenn’s der Papst erlauben sollte. Mit fünfzig ist Cotta eine feine, schlanke Lady, und ich bin eine pompöse Wirtschafterin. Ich bin so der Typ. Meine Mutter sieht auch so aus. Und Cottas Mutter ist eine Lady. Die beiden zusammen, und dann hast du uns. Dann muß ich euch die Betten aufschütteln und das Essen kochen und heul’ mir die Augen aus dem Kopf.«
    »Dann hast du sechs dralle Kinder, und ich habe nur eine einzige bläßliche Tochter«, sagte Cotta. »Dann seufze ich immer, und du stupst pausbäckig quietschend deine Gören umher.«
    »Und Rex ist dann überhaupt schon tot, weil er uns nicht verkraften konnte«, meinte Bibi. »Er ist ja jetzt schon am Ende, obwohl wir noch im Rosenstadium sind.«
    »Daran ist das Haff schuld«, sagte ich. »Aber es muß doch irgendwie zu machen sein. Ich heirate eine zur rechten und eine zur linken Hand.«
    Beide stützten sich auf die Ellbogen.
    »Wen zur rechten?« fragte Bibi.
    »Mich natürlich«, sagte Cotta. »Wegen der Erbfolge. Wie ich dich kenne, käm’s dir darauf nicht so an.«
    »Anstelle der Doppelhochzeit gebe ich mich mit einem Doppelkuß zufrieden«, sagte ich.
    »Augen zu!« befahl Bibi. »Du mußt raten, wer es war.«
    Ich hörte ein Wispern und ein Rascheln und spürte unverkennbar das Gesicht von Cotta über mir. Dann einen unbeschreiblich zarten Cotta-Kuß.
    »Das war Bibi«, sagte ich.
    Große Entrüstung.
    »Wie kannst du denn das verwechseln?«
    »Na, ich habe doch noch keine von euch geküßt!«
    Inniges Verständnis bei der einen wie bei der anderen. Sie glaubten, es sei eine List, um die Rivalin in Sicherheit zu wiegen.
    »Augen zu!« befahl Bibi wieder. Als ob nun ein andrer Kuß hätte folgen dürfen als einer von ihr. Der Kuß war wonnig und ziemlich ungeniert, und offenbar wurde er dadurch unterbrochen, daß Cotta sie an den Zöpfen zurückriß.
    »Ja, wer das nun war?« sagte ich. »Das rate ich

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