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Die Oder gluckste vor Vergnügen

Die Oder gluckste vor Vergnügen

Titel: Die Oder gluckste vor Vergnügen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rolf Ulrici
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Zeitung, um uns die Gurkenfinger abzuwischen. »Führerempfang in der Reichskanzlei. Der Führer Adolf Hitler hat...« Was kümmerte uns das? Wir hatten eine Hakenkreuzfahne an Pustekohls Boot, und damit basta.
    Fern auf den Wellen hopste Bibis Kopf nebst Wasserball. Sie schwamm. Und am Himmel schwammen die Wolken.
    Nach einer Weile kam Bibi zurück und war wütend, daß wir für sie keine Gurke im Sand deponiert hatten. Sie fahndete nach dem Gurkenmann (mit Cottas Portemonnaie), und Cotta und ich gingen schwimmen. Wir schwammen ein Stück hinaus, der Seewind strich dicht übers Wasser in die Gesichter. Zurück zum Strand trugen uns die Wellen, auf jauchzende Kinder und den ganzen bunten Ferienwirbel zu. Wie die Robben plumpsten wir in die Burg. Bibi rannte in einer Sandwolke herbei, in der linken Hand ein Eis, in der rechten die Gurke.
    »Kinder«, schrie sie, »heute abend ist im Kurhaus Reunion! Da müssen wir hin!«
    Da müssen wir hin... Natürlich war Cotta derselben Meinung. Als wir in die Pension gingen, rieselte der Sand noch durch unsere Kleider. Und durch Bibis und Cottas Gemüter rieselte die Reunion. Jetzt waren sie besser für ein Tanzfest gerüstet. Sie hatten ja ihre Koffer.
    Bei Tisch — es gab Blaubeeren in Milch — erinnerten sie sich wieder an mich.
    »Was zieht Rex an?«
    »Die Wirtin borgt mir vielleicht ein Kleid«, sagte ich.
    »Hast du nicht noch eine Tennishose?« fragte Bibi.
    »Ja, da waren aber die Motten drin.«
    »Stopf’ ich«, erklärte Bibi. »Weißt du, bei festlichen Gelegenheiten bring’ ich direkt meine Hausfrauentalente zur Geltung.«
    »Aber nur dann«, sagte Cotta.
    Nach dem Essen schickten sie mich zum Frisör. Ich stromerte durch das Städtchen und staunte über die vielen Epochen, die hier beieinander waren. Roch’s nicht nach der Vanille, die man vor über hundert Jahren eingeschmuggelt hatte und die der Zoll dann öffentlich verbrennen ließ? Die alten Bäume hatten es erlebt.
    Modeort, Badeort, auf den Grundfesten eines ehrenwerten Fleckens. Sippenstolze Familien... ihre Nachfahren siedelten in Afrika und auf Samoa. Rund um Kap Horn und bis nach China waren Schiffe von hier ausgefahren.
    Von Swinemünde bis nach China! Das konnte man sich noch vorstellen. Aber zurück? Es war genau wie mit Gartz. Von Gartz hierher, sehr schön. Aber retour?
    Ich ließ mir die Haare schneiden. Nach dem Abendessen wurde ich in der gestopften Hose und im übrigen Balldreß inspiziert.
    »Umdrehen«, befahl Bibi. Ich gehorchte.
    »Na ja«, sagte Cotta. »Es ist eben Rex, nicht?« Sie betrachtete mich jetzt aus der Kurhausperspektive. Das war etwas anderes als Heia-Tanzfest.
    Der Frisör hat ihm eine Hakenterrasse geschnitten«, sagte Bibi. »Aber es geht. Nun geh vor dem Haus auf und ab, bis wir fertig sind.«
    »Aber mach dich nicht schmutzig«, sagte Cotta.
    Mir fiel etwas ein. Ich klopfte wieder an die Tür. »Ich geh’ mal an den Kai, um nach dem Boot zu sehen!«
    »Nach welchem Boot?« rief Bibi. Pustekohls Boot hatten sie vor Aufregung vergessen...
    Ehe sie fertig waren, konnte ich die Langeweile mit dem Nützlichen verbinden. Ich bummelte zum Hafen und blickte vom Bollwerk hinunter — und stand, als sei mir ein Großbaum an den Kopf geknallt.
    Pustekohls Boot war halb voll Wasser. Bibis Kappe schwamm in der Kajüte. Cottas Schal, Kissen, die Möbel. Und die Vertäuung am Heck war gerissen. Ein weniges noch, dann mußte der Kahn versinken.
    Also war’s doch nicht nur durch den Wellengang zwischen den Fugen hindurchgedrungen, wir hatten ein Leck, ein richtiges Leck.
    Ich holte irgendwoher einen Eimer, warf Schuhe und Socken ab und krempelte die gebügelte Hose auf. Die Jacke flog auf den Kai. Was hieß jetzt Reunion!
    Während ich schöpfte, schon pitschnaß von Kopf bis Fuß, fuhr ein Fährboot heran, voll besetzt mit Marineoffizieren.
    »He!« schrie der Fährmann. »Bist du der Schiffer von dem Kahn?«
    Ich hielt inne.
    »Ja.«
    »Der Dreckskahn liegt an meiner Anlegestelle«, brüllte der Fährmann. »Seit gestern fahre ich die Offiziere sonstwohin, weil ich da nicht ‘ran kann. Verschwinde!«
    Die Offiziere standen tipptopp in Schale und blickten gelassen auf mich und Pustekohls Wrack.
    »Jetzt geht’s nicht, wie Sie sehen«, sagte ich. »Ich muß ja erst leerschöpfen.«
    Das interessierte den Fährmann nicht.
    »Soll ich dich trockenlegen?« brüllte er. »Du denkst wohl, die Herren haben Zeit, wegen dir einen Umweg zu machen!«
    »Wenn sie Zeit haben, dein Geschrei mit

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