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Die Oder gluckste vor Vergnügen

Die Oder gluckste vor Vergnügen

Titel: Die Oder gluckste vor Vergnügen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rolf Ulrici
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jetzt schöpft unser armer Käpt’n den ganzen Hafen um und um. Wahrscheinlich kriegen wir ihn bis morgen nicht zu Gesicht.«
    »Irrtum«, sagte ich.
    In der Nische, funkelnd und sprühend, saßen Bibi und Cotta mit zwei Marineoffizieren.
    »Rex!« rief Cotta begeistert.
    »Rexchen!« sagte Bibi und strahlte. »Sehen Sie, meine Herren, das ist also unser Käpt’n.«
    Die Herren lächelten breit. Sie sahen sehr schick aus in ihrer Uniform. Jedenfalls schicker als ich in meinen zerknautschten Sachen. Und daß man mich einen Käpt’n nannte, fanden sie zum Schießen.
    »Moment«, sagte der eine, »waren Sie das etwa vorhin auf dem ollen Kahn?«
    »Auf der abgesoffenen Dschunke?« fragte der andere.
    »Ja. Und Sie waren auf der Fähre?«
    Sie erinnerten sich an Pustekohls Boot und an den kläglichen Eindruck, den ich auf sie gemacht hatte. Sie lachten herzlich und lange. Cotta und Bibi lachten mit. Dann stellte Cotta vor: »Das ist Herr Oberleutnant zur See, Schmitt, und das ist...«
    »Leutnant zur See, Luemmerow, genannt Lümmel«, sagte Bibi mit Besitzerstolz. Die Herren erhoben sich: »Herr Käpt’n, wir haben die Ehre...«
    Wir setzten uns.
    »Du Armer!« rief Cotta. »Bis jetzt Wasser geschöpft?«
    »Ich habe mit Gerda getanzt.«
    »Ist noch eine Dame da?« fragte Leutnant Lümmel. »Na, dann holen wir sie doch!« Er meinte, dann hätten wir jeder eine Dame. Die Gerda für mich. Das hatte er sich gedacht.
    »Ach, Rex meint doch die, vor der wir ausgerissen sind«, erklärte Bibi.
    Der Kellner brachte Sekt. Cotta tanzte mit Herrn Schmitt. Der Oberleutnant war ein sympathischer Typ, gelassen, groß, brünett. Er hatte etwas Vertrauenerweckendes in seiner Sicherheit. Man sah, daß er Cotta gefiel. Bei Bibi und Lümmel lag die Sache einfacher. Bibi spielte große Dame, hochhackig und mit Turmfrisur. Sie genoß das zopflose Intermezzo, gab sich mondän, wie sie es Heias Damen abgeguckt hatte.
    Der Leutnant war beeindruckt. Er schmurgelte wie ein Braten, der eine zarte Hand mit siedendem Fett übergoß. Immer noch ein Löffel — und immer noch einer. Jeder Blick, jedes Lächeln machte ihn garer.
    Der Oberleutnant brachte Cotta zurück.
    »Unser Rexchen ist ein Dichter«, verkündete Bibi soeben.
    »Lyrik?« fragte Herr Schmitt. »Erproben Sie sich an den Damen?«
    »Ja!« rief Bibi in Schwipslaune.
    Da sagte Cotta, und zwar eine Spur zu scharf: »An mir hat er sich noch nicht erprobt. Wahrscheinlich bevorzugt er naivere Gemüter.« Das ging auf Bibi, die es glücklicherweise überhörte. Ich sah aber das Funkeln in Cottas Blick. Was war das? Es war eine Art Abrechnungsblick.
    Wofür? Für die dummen Gänse auf dem Haff? Oder dafür, daß ich Herrn Percotta bisher respektiert und mich ihr nicht wieder genähert hatte?
    Herr Schmitt und der Sekt gaben ihr Mut. Bedrohlich lächelnd sagte sie: »Rex schreibt Dramen.«
    »Dramen?« fragte der Leutnant bewundernd.
    »Ja«, rief Bibi. »Er wird mal berühmt!«
    »Berühmt wird«, sagte Cotta mit diabolischem Glimmen im Auge, »die Verwandlung in der ersten Szene.«
    »Welche?« fragte ich.
    »Na, wie sich Klein-Willi in den sterbenden Cäsar verwandelt!«
    »Cotta!« rief Bibi. Aber es war nicht wiedergutzumachen. Einen Moment versuchte Bibi ernst zu bleiben, dann fing sie an zu quietschen. Und dann, unter dem Einfluß von so viel Sekt, kam meine Schande ans Licht. Daß ich ein Kindermärchen als Drama getarnt hatte. Aus Gründen der Angabe. Und daß sie es in der Strandburg heimlich geklärt hatten, während ich im Wasser war.
    Die Herren wälzten sich vor Vergnügen. Leutnant Lümmels Respekt zerstob. Ein Märchendichter, nein, das war kein Konkurrent. »Kinder«, rief er, »ich schlage vor, der Abend wird lustig. Wir wechseln die Kirche und gehen in ein anderes Lokal!«
    »Einverstanden«, sagten Cotta und Bibi, denen der Gedanke an die Nähe ihrer Mitschülerin Gerda und ihrer Eltern nicht behagte.
    Wir gingen in ein Lokal, das ordentlich und gemütlich und ziemlich leer war. Von den Deckenbalken hingen Schiffsmodelle und kleine, bunte Laternen. »Tanzen kann man hier auch«, sagte Schmitt. »Im Anbau ist ein Saal, und da ist ein Grammophon.«
    »Aber wo ist eine dritte Dame?« rief Lümmel. »Wir haben doch einen Herrn zuviel an Bord.«
    »Der Dichter muß eine beschaffen«, meinte der Oberleutnant. »Für Dichter dürfte das kein Problem sein.«
    »Ja«, sagte Cotta. »Rex, vielleicht ist ein Zirkus in der Nähe?«
    In Bibis Augen blitzte es auf. Welch einzigartige

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