Die Odyssee des Captain Roadstrum
ging er nach Hause, schloß sich in ein schalldicht abgeschlossenes Zimmer ein, um nicht Pennys Beschreibungen ihrer über hundert Verehrer mit anhören zu müssen, und grübelte weiter.
Alles in allem hatte er doch allen Grund, glücklich zu sein. Für den Rest seines Lebens konnte er in vollkommener Ruhe leben. Und da sollte etwas falsch sein?
„Auge, mein Auge”, sagte er, als er es in die Hand nahm. „Alles ist wunderbar. Kannst du mir sagen, was hier nicht stimmt?”
Aber das Auge schloß sich verächtlich.
Ehre, Achtung, Vergnügen, Frieden, eheliche Liebe, Ruhe, Wohlwollen, Ruhe, Vollkommenheit, Ruhe, Ehre, Ruhe. Was stimmte denn nicht mit einem dieser Worte?
Ruhe?
Wie war das?
Ruhe!
Das Wort explodierte in Roadstrums Gehirn. Er stürzte aus dem Haus, an einer Stelle, an der sich gar keine Tür befand, und er riß Ziegel und Putz und einen Stützbalken mit sich.
„Ruhe? Für mich?? Für Roadstrum? Mann, das ist doch nicht deine Art! Laß dir die Ruhe doch nicht wie einen Mühlstein um den Hals hängen! Ich bin der große Roadstrum. Ruhe ist was für die anderen.”
Er erhob seine mächtige Stimme: „Ich will doppelt verdammt sein, und zur Hölle fahren, zu einer besseren Hölle als der auf dem Höllenpfeffer-Planeten, wenn ich meine Tage hier in Ruhe und Frieden beschließe, verdammt noch mal! Ruhe darf nicht das Schlußwort meines Epos sein! Ein Epos ist schon kein Epos mehr, wenn es ein Ende hat. Ich pfeife darauf, wie es damals, beim ersten Mal zu Ende gegangen ist! Diesmal wird es anders enden!”
„Ich werde ausbrechen!” brüllte er mit mächtiger Stimme. „Niemand wird je die letzten Verse meines Epos singen! Ein Raumschiff!
Eine Mannschaft!”
Seine mächtige Stimme wurde bis ans andere Ende der Stadt vernommen, bis zur Plugged-Nickel-Bar und bis zum MURFWQENERETC-Gebäude. Und die mächtige Stimme rief ein Echo hervor, in den Köpfen der etwas durcheinandergeratenen Matrosen Trochanter und Clamdigger, im Kopf einer herzlosen Houri und im Kopf eines Riesenjungen von dem Stein-Planeten.
Roadstrum floh vor den blutleeren Häusern und erreichte die freie, offene Landschaft. Dort blieb er stehen und zog wieder sein Auge aus der Tasche, seinen letzten Gefährten.
„Auge, mein Auge”, trompetete er. „Sieh mich an! Es gibt noch so viele Planeten, die wir noch nicht gesehen haben. Es gibt noch soviel Blut, das wir noch nicht vergossen haben! Sollen wir uns hier einsperren lassen? Auge, mein Auge, bist du dabei?”
Und das Auge glänzte lebhaft und zwinkerte ihm fröhlich zu.
Ein viel zu groß geratener Junge mit einem mächtigen Steinhammer war schon dabei, die schrottreife Hornisse zu bearbeiten. In den etwas durcheinandergeratenen Köpfen der beiden Matrosen Trochanter und Clamdigger begann ein neues Licht aufzuflackern, und andere Männer ihrer Art scharten sich um sie.
Nachwort
Raphael Aloysius Lafferty ist ein recht ungewöhnlicher Science-Fiction-Autor, der sich nicht so leicht etikettieren und in eine Schublade legen läßt. Tatsächlich nimmt er eine Außenseiterrolle in der SF-Literatur ein, die allerdings von vielen Lesern akzeptiert und honoriert wird. Er ist ein durchaus eigenständiger Autor. Der ungewöhnliche Vorname des 1914 in Neola/Iowa geborenen Amerikaners, der heute in Tulsa/Oklahoma lebt, rührt daher, daß seine Geburt eigentlich früher erwartet worden war – nämlich zum Namenstag des Sankt Raphael –, aber schon damals tat Lafferty nicht das, was von ihm erwartet wurde: Er kam vierzehn Tage später. Der zweite Vorname, ebenso ungewöhnlich, ist auf Familientradition der Laffertys zurückzuführen.
Er konnte schon lesen, bevor er eingeschult wurde, und als Zehnjähriger begann er damit, alle achtzehn Wälzer von Groliers History of the World Wort für Wort zu verschlingen. Er benötigte ein Jahr dafür. Dank seines damals beinahe fotografischen Gedächtnisses erinnert er sich auch heute noch an fast jedes Wort aus diesem Werk. Die Schule allerdings gefiel ihm weniger, zumal man dort großen Wert auf Sport legte, was dem jungen Lafferty nicht gefiel.
Später wurde Lafferty dann Elektroingenieur und übte diesen Beruf lange Jahre aus, bis er sich im Alter von 45 Jahren entschloß, mit dem Schreiben anzufangen.
1960 erschien seine erste Science-fiction-Story, Day of the Glacier , der im Laufe der Jahre weit über hundert weitere Geschichten folgen sollten. Einige davon liegen auch in deutscher Übersetzung vor, was auch für die
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