Die Ökonomie von Gut und Böse - Sedlacek, T: Ökonomie von Gut und Böse
Archetypen bewegen, die über Jahrtausende hinweg wirksam bleiben. Es lohnt sich also, über diese Archetypen Bescheid zu wissen. Am einfachsten und besten ist es, sie in ihren rohen, frühen Formen zu untersuchen, gewissermaßen in ihrer Nacktheit, für die Zeit, als unsere Zivilisation noch jung oder zumindest jünger war, und dann ihre Transformationen im Rahmen der historischen Entwicklung zu verfolgen.
Das, was wir irgendwo in unserem Unbewussten gespeichert haben, lässt sich in Krisenzeiten am besten erkennen. Jung schreibt: »Gerade das zunächst Unerwartete, das beängstigend Chaotische enthüllt tiefen Sinn.« 1 Er baute oft auf den Bruchstellen auf.
Auch Wirtschaften verraten uns viel mehr über sich, wenn sie schwach sind, als auf dem Höhepunkt ihrer Stärke. Wir können eine Wirtschaft viel besser kennenlernen, wenn Knappheit und Bescheidenheit herrschen, als wenn sie vor Stolz überfließt und alles außer sich selbst verachtet. Stärke verhüllt oft das Wesen der Dinge, während Schwäche es offenbart.
10 DIE ACHSE VON GUT UND BÖSE UND DIE BIBELN DER ÖKONOMIE
In der Einleitung habe ich geschrieben, dass es bei der Ökonomie im Grunde immer um Gut und Böse und die Beziehung zwischen diesen beiden Polen geht. [193] Obwohl die modernen Mainstream-Ökonomen die Kategorien von Gut und Böse, Werturteile aller Art und subjektive Ansichten oder Glaubensanschauungen scheuen wie der Teufel das Weihwasser, fragt sich immer noch, ob es uns gelungen ist, all diese Dinge zu vermeiden – und ob das überhaupt möglich ist. Das Bestreben der Ökonomen (und der Wissenschaft generell), sich von Gut und Böse fernzuhalten, das Bemühen um Positivismus und Wertneutralität (außerhalb von Gut und Böse zu stehen) erinnert übrigens stark an die Zeiten, als die Menschheit den Unterschied zwischen Gut und Böse noch gar nicht kannte. Verloren Adam und Eva diesen Zustand nicht, als sie in die Frucht des Baums der Erkenntnis von Gut und Böse bissen? Bis dahin waren sie tatsächlich wertneutral, sie kannten den Unterschied zwischen Gut und Böse nicht und waren sich seiner nicht bewusst. Die Ökonomie (und die Wissenschaft überhaupt) will im Hinblick auf manche Dinge viel wissen, im moralischen Bereich aber gar nichts .
Jetzt können wir vor der Erkenntnis von Gut und Böse aber nicht mehr weglaufen, sie ist in alle unsere Tätigkeiten eingebettet, auch in die Wissenschaft. Trotz des Bestrebens, wertfrei zu sein, basiert ein fundamentaler Teil unserer ökonomischen Wissenschaft auf normativen Urteilen, laut denen Dinge wie Leid, Ineffizienz, Armut, Unwissenheit, soziale Ungleichheit usw. schlecht sind und (durch die Wissenschaft) beseitigt werden sollten. Sind denn nicht unsere gesamte Wissenschaft und unser ganzer Fortschritt auf der Hoffnung aufgebaut, den Übeln zu entkommen?
Ein großer Teil unserer Geschichte wurde von der Idee beherrscht, dass die Ethik und die Ökonomie fest miteinander verbunden sind, dass sie sich gegenseitig beeinflussen. Die Hebräer, Griechen und Christen, Adam Smith, David Hume, J. S. Mill und andere betrachteten die Beziehung zwischen der Ökonomie und der Ethik als ganz wichtiges Thema. Sie waren alle überzeugt, dass die Beschäftigung mit der Ethik für die Ökonomie von entscheidender Bedeutung ist, und machten zwischen wirtschaftlichen und ethischen Fragen oft gar keinen Unterschied.
Die Achse von Gut und Böse
Bei unserer langen Reise durch die Geschichte sind wir des Öfteren auf die Grundfrage gestoßen, ob Gutheit sich auszahlt, ob es »ökonomisch« ist, sich gut zu verhalten, und ob uns das einen Nutzen oder wirtschaftlichen Lohn bringt. Ich möchte an dieser Stelle zunächst die ökonomischen Systeme von Gut und Böse zusammenfassen. Zu den großen Moralschulen, die sich mit der »Ökonomie« von Gut und Böse (oder dem Lohn dafür) beschäftigen, zähle ich auch das ökonomische Mainstream-Denken unserer Zeit. Obwohl ich mich dabei ganz an der Grenze der noch akzeptablen Vereinfachung bewegen muss, möchte ich die verschiedenen Schulen zur besseren Verdeutlichung auf einer imaginären Achse anordnen, und zwar danach, wie sehr Gutheit sich ihrer Ansicht nach auszahlt. Dabei möchte ich mit den Denkschulen beginnen, die Moralität und Nützlichkeit am radikalsten voneinander trennen und die Ökonomie von Gut und Böse am stärksten anzweifeln. Am Schluss werden dann die Schulen stehen, die zwischen Moralität und Nützlichkeit ein Gleichheitszeichen setzen.
Der
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