Die Oetkers - Geschaefte und Geheimnisse ber bekanntesten Wirtschaftsdynastie Deutschlands
überschätzte sich. Er hielt sich für auserwählt und war entschlossen, die deutschen Staatsgeschäfte nach seinen eigenen Vorstellungen zu führen.
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4. »Ich werde versuchen, etwas Besonderes zu leisten«
Ein Apotheker mit Ambitionen
D ie Karriere des Unternehmers August Oetker begann mit einer Pleite. Nach seiner Promotion war der gelernte Apotheker von Freiburg zurück nach Berlin gezogen. Die Stadt übte damals eine magische Anziehungskraft auf Provinzler aller Art aus. Oetker beteiligte sich in Berlin an einer Firma, die Einrichtungen für Apotheken und chemische Fabriken vertrieb. Seine ersten Schritte als selbstständiger Unternehmer wagte er gemeinsam mit zwei Partnern.
An seiner Seite lebte inzwischen die junge Caroline, die er als Praktikant in Hanau kennen gelernt hatte. Als das Paar am 20. März 1889 in der Heimatstadt der Braut vor den Traualtar getreten war, war die Braut bereits schwanger gewesen. Im November kam ihr Sohn in Charlottenburg zur Welt. Er wurde auf den Namen Rudolf getauft.
Charlottenburg gehörte damals noch nicht zu Berlin. Die Oetkers wohnten in einer guten Gegend. Im vornehmen Westen der Metropole lebten Offiziere und höhere Beamte, aber auch Künstler und Professoren. Während Oetkers Privatleben in erfreulichen Bahnen lief, kam er geschäftlich nicht voran. Das Unternehmen warf kaum etwas ab – zu wenig jedenfalls, um drei Teilhaber und ihre Familien zu ernähren.
In dieser Situation besann sich August Oetker wieder auf seinen eigentlichen Beruf. Wohl durch eine Zeitungsannonce erfuhr er, dass in Bielefeld eine Apotheke zum Verkauf stand. Er reiste mit der Eisenbahn in die ostwestfälische Stadt und besichtigte die Aschoffsche Apotheke in der Niedernstraße 3 gegenüber der Altstädter-Nicolai-Kirche. Ihre Ausstattung war nicht zeitgemäß und entsprach nicht den Vorstellungen des Naturwissenschaftlers. Aber das ließe sich ja ändern.
Laut Firmenlegende hat Dr. August Oetker sein Backpulver
in einem Hinterzimmer der Aschoffschen
Apotheke in Bielefeld entwickelt.
|50| Mit dem Inhaber der Apotheke, einem Mann namens Saal, handelte August Oetker den Preis für die Übernahme aus. Die Höhe ist nicht überliefert, aber es muss sich um eine gewaltige Investition gehandelt haben, jedenfalls aus Sicht eines Firmenkäufers, der nicht über ein großes Erbe verfügen konnte. Einen Teil des benötigten Geldes bekam August Oetker von seiner gut situierten Schwiegermutter in Hanau. Die weitere Finanzierung besorgte eine Bank, die sich zur Sicherheit eine Hypothek eintragen ließ.
Im Januar des Jahres 1891 wurde Dr. August Oetker schließlich Apotheker in Bielefeld. Am zwölften dieses Monats erhielt er die behördliche Genehmigung zur Führung der Apotheke. Zwei Wochen später erschien im
Bielefelder Tageblatt
eine Kleinanzeige, in der sein Vorgänger den Verkauf des Geschäfts bekannt gab. Oetker selbst kündigte in dieser Annonce an: »Mein Bestreben wird sein, einen jeden, welcher meine Offizin mit seinem Vertrauen beehrt, auf das Beste zu bedienen.«
Es ist zweifelhaft, ob August Oetker anfangs tatsächlich vorhatte, in althergebrachter Weise Arzneimittel herzustellen und zu vertreiben. Sein Bestreben war wohl von vorneherein, ein industrielles Unternehmen aufzubauen – so wie es Louis Dohme in Amerika gemacht hatte. Oder wie seine beiden Onkel Louis C. Oetker in Altona und Albert Ferdinand Oetker in Krefeld. Vorbilder gab es reichlich in der Familie. Die Apotheke sollte für August Oetker nur eine Zwischenstation sein, wie es dieser Beruf für die Unternehmer Dohme und Heraeus gewesen war. Schon als Praktikant in Hanau hatte August Oetker selbstbewusst verkündet: »Mein Hauptziel ist natürlich zunächst die Erwerbung einer Apotheke; habe ich dieses erreicht, so werde ich versuchen, noch etwas Besonderes zu leisten.«
In Bielefeld angekommen, ließ August Oetker als Erstes die Apotheke von Grund auf modernisieren. Er rüstete das Laboratorium mit neuen Geräten und Apparaturen aus, bis es eine Ausstattung hatte, über die er selber sagte, dass »sie wohl nur in wenigen Apotheken Deutschlands zu finden ist«. Sogleich begann er mit der Zubereitung neuer Präparate, die er »Spezialitäten« nannte. Zu den ersten Erzeugnissen, |51| die er in seiner Apotheke vertrieb, gehörten ein Gesundheitskakao, eine Fußcreme und eine Warzentinktur. Wie sein Vorgänger füllte Oetker aber auch Mineralwasser ab, mischte Himbeersaft und fertigte Brausebonbons.
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