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Die Oetkers - Geschaefte und Geheimnisse ber bekanntesten Wirtschaftsdynastie Deutschlands

Titel: Die Oetkers - Geschaefte und Geheimnisse ber bekanntesten Wirtschaftsdynastie Deutschlands Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ruediger Jungbluth
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verdrängten dort nicht selten die heimischen Erzeugnisse. Die in England zum Schutz der eigenen Industrie für Importware vorgeschriebene Herkunftsbezeichnung »made in Germany« entwickelte sich bald zum internationalen Qualitätsbegriff.
    1913 konnte Wilhelm II. auf 25 Jahre Regentschaft als Deutscher Kaiser zurückblicken und sich mit vollem Recht als »Friedenskaiser« feiern lassen, in dessen Regierungszeit es stetig bergauf gegangen war. Das Leben in Deutschland war für die meisten Menschen leichter und aufregender geworden. Man konnte elektrisches Licht nutzen, telefonieren und reisen. Das Land war in kurzer Zeit modern geworden, seine Wirtschaft industriell und auf vielen Feldern weltweit führend.
    Andererseits waren die sozialen Unterschiede extrem groß. Zwei Drittel der Bevölkerung hatten trotz aller Lohnsteigerungen immer noch ein so geringes Einkommen, dass der Staat es nicht besteuern konnte. Das tonangebende Großbürgertum des Kaiserreichs, das nur etwa fünf Prozent der Bevölkerung ausmachte, hatte sich, von dem Schub der Industrialisierung getragen, nach oben abgesetzt. Dieser |79| kleinen Gruppe von Adligen, Unternehmern und Spitzenbeamten floss nicht weniger als ein Drittel des Volkseinkommens zu.
    Die psychologische Folge von Armutsüberwindung, Aufstieg und Aufschwung war ein schichtübergreifendes, überschwängliches Kraftgefühl, wie Sebastian Haffner später analysierte: »Sehr viele Deutsche der Wilhelminischen Zeit, und zwar Deutsche aus allen möglichen Schichten, erblickten plötzlich eine große nationale Vision, ein nationales Ziel vor sich: Wir werden Weltmacht, wir breiten uns in der ganzen Welt aus, Deutschland in der Welt voran!«

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    |81| 1914 – 1933
Weltkrieg, Wirren, Weimar

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|83| 6. »Diese Unerschrockenheit zündete«
Das kurze Leben des Rudolf Oetker
    D ie Arbeiter in der Bielefelder Fabrik nannten Rudolf Oetker »den jungen Herren«. Für sie war der einzige Sohn des Firmengründers August Oetker der künftige Chef, das stand fest. Die Arbeiter und Angestellten schätzten den Nachfolger. Einige von ihnen hatten Rudolf Oetker schon auf dem Firmengelände in der Lutterstraße gesehen, als er noch ein Junge war und nach den Pferden und Kaninchen schaute, für die es dort Ställe gab.
    Im Frühjahr 1914 war Rudolf Oetker Mitte 20 und tatsächlich ein junger Herr geworden. Er hatte ein tadelloses Benehmen. »Wie gütig und freundlich er stets zu uns war, werde ich nie vergessen«, erinnerte sich ein Laborant. Der junge Oetker war ein heiterer Mensch und von gefälligem Äußeren, ein stattlicher blonder Mann und so hoch gewachsen, dass man für ihn einen Aufsatztisch zimmern musste, damit er sich im Labor der Nahrungsmittelfabrik nicht allzu tief bücken musste. Er blickte seine Mitmenschen mit wachen Augen an. Seine Gesichtszüge waren eher weich und sein Haar schütter. Daher wirkte er um einige Jahre älter, als er war. Er trug einen dünnen Oberlippenbart, wie es Mode war bei den jungen Männern im Kaiserreich.
    Wie den meisten seiner Altersgenossen lag Rudolf Oetker viel daran, gesetzt zu wirken und seine Jugend durch Anzüge und steife Hemdkragen zu verstecken. Ein solches Verhalten war ein Phänomen dieser Zeit: »Die Welt vor uns oder über uns, die alle ihre Gedanken einzig auf den Fetisch der Sicherheit stellte, liebte die Jugend nicht oder vielmehr: Sie hatte ein ständiges Misstrauen gegen sie«, schrieb Stefan Zweig später rückblickend. »Während heute in unserer vollkommen |84| veränderten Zeit 40-Jährige alles tun, um wie 30-Jährige auszusehen und 60-Jährige wie 40-Jährige, während heute Jugendlichkeit Energie, Tatkraft und Selbstvertrauen fördert und empfiehlt, musste in jenem Zeitalter der Sicherheit jeder, der vorwärts kommen wollte, alle denkbare Maskierung versuchen, um älter zu erscheinen.«
    Rudolf Oetker musste nicht vorwärts kommen. Er stand qua Geburt schon weit oben in der sozialen Hierarchie des Kaiserreichs. Der Fabrikantensohn war sich seiner herausgehobenen Stellung bewusst. Er hatte aber wohl auch einen Sinn für das Soziale. Als er beispielsweise erfuhr, dass eine Arbeiterin ihre kranke Mutter zu sich in die Werkwohnung genommen hatte, wo die alte Frau isoliert lebte, besuchte der Juniorchef sie von Zeit zu Zeit. Als er bemerkte, dass die Frau schlecht sah, besorgte Oetker für sie in einem Bielefelder Geschäft ein Vergrößerungsglas.
    Rudolf Oetker war am 17. November 1889 in

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