Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Die Oetkers - Geschaefte und Geheimnisse ber bekanntesten Wirtschaftsdynastie Deutschlands

Titel: Die Oetkers - Geschaefte und Geheimnisse ber bekanntesten Wirtschaftsdynastie Deutschlands Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ruediger Jungbluth
Vom Netzwerk:
Charlottenburg zur Welt gekommen. Doch schon ein Jahr später hatten die Eltern die Aschoffsche Apotheke übernommen und waren nach Bielefeld gezogen. Dort war Rudolf Oetker aufgewachsen und hatte die Vorschule und anschließend das Realgymnasium besucht. Er verfügte über die nötige Intelligenz, um im väterlichen Unternehmen einmal eine leitende Stellung einzunehmen. Die Zuversicht der Eltern wog umso mehr, als Rudolf ihr einziges Kind geblieben war.
    Als Rudolf Oetker 1914 in die Firma seines Vaters eintrat, hatte er einiges gesehen vom Kaiserreich. Zum Studium der Naturwissenschaften war er nach der Reifeprüfung nach Hannover gezogen, bald darauf aber an die Universität in Bonn übergewechselt. Im Rheinland hatte er seinen Militärdienst absolviert. Als begeisterter Reiter hatte er sich zu den Husaren gemeldet. Die Kavallerie entsprach seinem sozialen Stand. Die nächste Station war Berlin gewesen, wo sich Rudolf Oetker an der Friedrich-Wilhelms-Universität eingeschrieben hatte. Deren Studenten galten als das geistige Leibregiment der Hohenzollern. Sein Pferd hatte der Unternehmersohn und Reserveoffizier mit nach Berlin genommen. Es war ein Schimmel namens »King«, der zuvor in Bielefeld die Kutsche des Vaters gezogen hatte.
    |85| Am Ersten Chemischen Institut hatte Rudolf Oetker als Hilfsassistent bei dem Gelehrten Emil Fischer gearbeitet. Der Professor, der einen mächtigen grauen Vollbart trug, war ein herausragender Naturstoffchemiker, der 1902 sogar den Nobelpreis für Chemie erhalten hatte. Auf den jungen Oetker hatte der Chemiker einen tiefen Eindruck gemacht und dessen Ehrgeiz geweckt. Am 4. März 1914 war der Fabrikantensohn promoviert worden, der Titel seiner Doktorarbeit lautete: »Über neue Ester einiger Monosaccharide mit Essigsäure, Benzoesäure, Zimtsäure und Kaffeesäure«.
    So war also aus Rudolf Oetker schon ein Dr. Oetker geworden, als er im Frühjahr 1914 nach Bielefeld zurückkehrte. Er begann im Unternehmen an der Seite seines Vaters zu arbeiten, der damals 52 Jahre alt war. Meist tüftelte der junge Chemiker im Labor an neuen Produkten und neuen Verfahren. Sein Interesse galt aber schon dem ganzen Betrieb. Das Unternehmen des August Oetker war eines der größten in Bielefeld, 350 Arbeiter und Angestellte waren auf dem Gelände an der Lutterstraße beschäftigt. Und es expandierte weiter. Rudolf Oetker beriet den Vater beim Bau eines neuen Gebäudes für die Herstellung von Puddingpulver, aber auch in anderen Fragen. Vor allem die Mutter sah es gerne, dass sich der Sohn einzumischen begann. »Darüber soll der junge Herr entscheiden«, empfahl Caroline Oetker gerne, wenn sich das Gespräch um die Zukunft des Unternehmens zu drehen begann.
    Rudolf Oetkers Einstieg in das Berufsleben geschah in einer Zeit des schnellen Wandels. Im gesamten Kaiserreich herrschte eine Aufbruchsstimmung und wie selten zuvor lebten die Menschen in einer Fortschrittsgewissheit. Die Deutschen waren eine junge, schnell wachsende Nation. Die Zahl der Hochzeiten und die der Geburten stieg, während die Säuglings- und Kindersterblichkeit niedriger war als all die Jahrzehnte zuvor. Überall im Land entstanden neue Industriebetriebe, die den Menschen, die bisher auf dem Acker geschuftet hatten, besser bezahlte Arbeit boten. Jährlich stiegen die Löhne, und Hoffnung und Zuversicht bestimmten das Denken der Menschen im Deutschen Reich. Es war eine alles in allem glückvolle Zeit.
    |86| Doch dann kam der Krieg. Warum er ausbrach, blieb vielen Zeitgenossen auch im Nachhinein rätselhaft. »Wenn man heute ruhig überlegend fragt, warum Europa 1914 in den Krieg ging, findet man keinen einzigen Grund vernünftiger Art und nicht einmal einen Anlass«, schrieb Stefan Zweig später. »Es ging um keine Ideen, es ging kaum um die kleinen Grenzbezirke.« Als Ursache des Kriegs nannte Zweig einen »Überschuss an Kraft, als tragische Folge jenes inneren Dynamismus, der sich in diesen 40 Jahren Frieden aufgehäuft hatte und sich gewaltsam entladen wollte.«
    Nirgendwo in Europa herrschte noch wirkliche Not. Zwischen den Staaten, überwiegend Monarchien, gab es kaum Gegensätze, viel mehr Verbindendes. Industriegüter und andere Waren wurden von Deutschland nach England verschifft und von England nach Frankreich. Das zaristische Russland, die Donaumonarchie, Frankreich – ein jeder war Lieferant des anderen und zugleich dessen Kunde.
    Alle strotzten vor Kraft: die alten europäischen Großmächte wie England, Frankreich und

Weitere Kostenlose Bücher