Die Oetkers - Geschaefte und Geheimnisse ber bekanntesten Wirtschaftsdynastie Deutschlands
aller Männer zwischen 17 und 50 Jahren eingezogen werden. Mehr als 13 Millionen Menschen verrichteten Militärdienst an der Front und in der Etappe.
In der Heimat fehlten die Männer. So waren zum Beispiel nicht weniger als 10000 Bielefelder im Krieg. Jede zweite städtische Angestellte fehlte, ein Drittel aller Lehrer war beim Militär. Auch in der Nahrungsmittelfabrik des Dr. August Oetker fehlte es an Arbeitern, wie Rudolf Oetker bei seinem Urlaub erfuhr. Aber das waren nicht die Dinge, die ihn während dieser Tage am meisten beschäftigten. Oetker war vor allem glücklich, seine Frau wieder zu sehen und das Baby. Als er nach seiner Genesung wieder zurück an die Front reiste, wusste der Leutnant Oetker nicht, dass seine Frau erneut schwanger war.
Das Jahr 1915 neigte sich dem Ende zu, als der Chef des deutschen Generalstabs die folgenreiche Entscheidung traf, Verdun zum Ziel eines großen Angriffs zu machen. Erich von Falkenhayn wollte die |91| französische Heeresführung zwingen, immer neue Kräfte zur Verteidigung dieser Festung einzusetzen. »Tut sie es, so werden sich Frankreichs Kräfte verbluten, da es ein Ausweichen nicht gibt, gleichgültig, ob wir das Ziel erreichen oder nicht. Tut sie es nicht, und fällt das Ziel selbst in unsere Hände, dann wird die moralische Wirkung in Frankreich ungeheuerlich sein«, lautete sein Kalkül.
Der Angriff auf Verdun begann am 21. Februar 1916 auf einem Frontabschnitt östlich der Maas. Auf einer Breite von fast 20 Kilometern feuerte die deutsche Artillerie ab 8.12 Uhr aus allen Rohren. Sie traf den Bahnhof, die Zitadelle, Brücken und Straßen. Sie hüllte Verdun in Qualm und Dreck ein. Am Nachmittag begann der Infanterieangriff. Zunächst sah es so aus, als hätte die 5. Armee besonderes Kriegsglück. Bereits am fünften Tag gelang es den deutschen Soldaten, das Fort Douaumant einzunehmen, eine der stärksten Anlagen im Festungsgürtel von Verdun. Doch dann wurde der französische Widerstand stärker, der deutsche Angriff kam fast zum Stillstand. Ein Kampf um jeden einzelnen Meter Boden setzte ein. Das von Falkenhayn angekündigte »Ausbluten« begann. Es geschah allerdings auf deutscher Seite nicht minder stark als auf französischer.
Als Kompanieführer hatte Rudolf Oetker, wie alle Offiziere damals, einen so genannten Burschen, der ihn bediente, Erich Dorsch. Überhaupt hatten sich die Standesunterschiede aus Friedenszeiten an der Front erhalten. Die Offiziere wurden durchweg besser verpflegt, sie bekamen Alkohol und sie hatten auch bessere Bunker. Nur beim Sturmangriff, da waren alle gleich.
Am 8. März 1916 sollte es für Oetkers Kompanie losgehen. Um zwölf Uhr mittags war der Sturm auf das Fort Vaux angesetzt worden. Er sollte nach dem üblichen Muster erfolgen: erst Trommelfeuer, dann massierter Infanterieangriff. Oetkers Bursche Dorsch arbeitete als Entfernungsschätzer für seinen Kompanieführer und blieb immer in dessen Nähe. In einem Brief schilderte Dorsch später den Verlauf des Angriffs: »Wir sprangen von einem Granatloch ins andere und kamen so bis an den Drahtverhau am Fuße des Berges heran. Jedes Mal, wenn wir einen Sprung machten, wurden wir von einem Hagel von Geschossen |92| nur so überschüttet. Mehr als 50-mal habe ich zu meinem Leutnant gesagt, er sollte sich doch nicht so zeigen; er war immer viel zu dreist.«
Viele Soldaten waren damals wie im Fieber. Besonders die Reserveoffiziere wollten beweisen, dass sie in ihrer Einsatzfreude den Berufsoffizieren nicht nachstanden. Ein anderer Leutnant, der damals 36-jährige Künstler Franz Marc, schrieb voller Faszination aus Verdun nach Hause: »Nun sind wir mitten drin in diesem ungeheuerlichsten aller Kriegstage. Die ganzen französischen Linien sind durchbrochen. Von der wahnsinnigen Wut und Gewalt des deutschen Vorsturmes kann sich kein Mensch einen Begriff machen, der das nicht mitgemacht hat.«
Die am Sturm auf Fort Vaux beteiligten Regimenter liefen zunächst in mehreren Wellen den Hang hinunter in Richtung der Ortschaft Vaux. Unter französischem Beschuss blieben dabei 200 Tote und Verwundete liegen. Soldaten aus Oetkers Regiment gelang es aber immerhin, einen Rundgraben einzunehmen. Später kamen Oetker und einige seiner Leute bis zu einem Bahndamm, der das Tal in zwei Hälften teilte. Dort lagen sie fünf Stunden fest, weil das Feuer der französischen Infanteristen sehr heftig war. Als es nachließ, rückten sie weiter vor.
Rudolf Oetker verhielt sich todesmutig. Seine
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