Die Oetkers - Geschaefte und Geheimnisse ber bekanntesten Wirtschaftsdynastie Deutschlands
Firma Dr. August Oetker sich immer mehr besserte.«
Richard Kaselowsky weigerte sich in den zwanziger Jahren, die |116| wertlos gewordene Forderung der Chemischen Fabrik Goldenberg auf Goldmark umzustellen. Deren Vorstand reichte daraufhin bei Gericht eine Klage gegen Oetker ein. In der rechtlichen Auseinandersetzung verfielen die Bielefelder auf eine neue Strategie. Sie wiesen alle Forderungen zurück und behaupteten nunmehr, von den langjährigen Geschäftspartnern durch übermäßig hohe Preise »ganz gewaltig übervorteilt und bewuchert« worden zu sein. Tatsächlich gelang es Kaselowsky und Louis Oetker auf diese Weise, die Chemische Fabrik Goldenberg für die laufenden Lieferungen zu einer Preissenkung zu bewegen.
Auf dem Höhepunkt der Auseinandersetzung lud die Chemische Fabrik Goldenberg zu einer Aufsichtsratssitzung, auf der alle Probleme zur Sprache kommen sollten. Wegen des schwelenden Streits war Richard Kaselowsky gebeten worden, nicht zu erscheinen. Aber der Oetker-Chef ließ sich nicht abhalten und reiste an. Er sah die Chance für einen Befreiungsschlag. Auf der Sitzung schlug er einen Vergleich vor, der alle Streitigkeiten zwischen Oetker und der Chemischen Fabrik Goldenberg ein für alle Mal beenden sollte. Nach einigem Hin und Her akzeptierten die Herren.
In diesem Vergleich verpflichtete sich die Firma Oetker nach eigener Darstellung, die ihr gelieferte Ware auf Goldmarkbasis, also zu ihrem realen Wert, zu bezahlen. Die Firma Oetker erklärte sich überdies grundsätzlich bereit, auch in Zukunft bei dem langjährigen Lieferanten einzukaufen. Dafür erhielt Richard Kaselowsky die Zusage, dass die gegenseitige Beteiligung zwischen Oetker und der Chemischen Fabrik Goldenberg aufgelöst werden sollte.
Das war ein großer Sieg. Mit dem Ausruf »Frei!« wurde das entsprechende Kapitel in einer späteren Firmenchronik überschrieben. »Oetker war frei und das Erbe des Gründers war für den Enkel gerettet«, heißt es in dem Band, der zum 50-jährigen Bestehen des Unternehmens erschien. Darin wurden Kaselowsky und Louis Oetker wegen ihrer Verdienste in diesem Unabhängigkeitskampf mit dem Gründer verglichen. August Oetkers Erfolge lägen auf der Hand, heißt es dort. »Was aber gelegentlich übersehen wird, ist die Tatsache, dass neben dem Gründer als gleichgewichtig die Erhalter stehen.«
Louis Oetker, ein Bruder des Gründers, trug maßgeblich dazu bei,
die Unabhängigkeit der Firma Oetker zu erhalten.
|118| Als Richard Kaselowsky in einer Rede im Jubiläumsjahr 1941 auf die 20 Jahre zurückliegende Auseinandersetzung einging, entlarvte er sich als Antisemiten. Unter Hakenkreuzfahnen führte er bei einer Festveranstaltung aus, man habe damals die Unabhängigkeit der Firma Dr. August Oetker behaupten müssen »gegenüber jüdischen Rohstofflieferanten, die es verstanden hatten, sich während des Kriegs Einfluss zu verschaffen«. Gemeinsam mit dem Bruder des Firmengründers, Louis Oetker, sei es ihm aber gelungen, »den jüdischen Einfluss auszuschalten«.
In dieser Übernahmeschlacht hatten Kaselowsky und die Oetkers in mehrfacher Hinsicht großes Glück. Nicht nur die Inflation kam den Bielefeldern im rechten Moment zu Hilfe. Ausgerechnet zu der Zeit, als Oetker sich mit seinem langjährigen Lieferanten überwarf, tat sich auch noch eine neue Quelle für die Rohstoffe auf. Ein anderes Unternehmen, die Chemische Fabrik Budenheim, wollte gerne mit Oetker ins Geschäft kommen und bot dem Bielefelder Unternehmen Weinstein aus eigener Herstellung an. Allerdings war die Qualität der Ware zunächst erheblich schlechter als die des amerikanischen Erzeugnisses.
Louis Oetker erkannte sofort die Chance, von den Amerikanern und ihren deutschen Vermittlern unabhängig zu werden. Er beauftragte seinen Laborchef Rudolf Flebbe, gemeinsam mit den Chemikern bei Budenheim an einer Verbesserung des Weinsteins zu arbeiten. Die Kooperation war schließlich von Erfolg gekrönt. Am Ende der Entwicklung erwies sich der deutsche Weinstein sogar als noch besser als das Konkurrenzprodukt aus den USA. Daraufhin erwarb Kaselowsky eine Beteiligung an dem neuen Rohstofflieferanten.
In späteren Firmenchroniken wird die Budenheimer Fabrik als unerwarteter Helfer in der Not beschrieben. Merkwürdig ist allerdings, dass dieses Unternehmen 1923 gegründet und in unmittelbarer Nähe zur Chemischen Fabrik Goldenberg errichtet wurde. Das nährt den Verdacht, dass sich damals leitende Mitarbeiter von Goldenberg mit tatkräftiger
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