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Die Oetkers - Geschaefte und Geheimnisse ber bekanntesten Wirtschaftsdynastie Deutschlands

Titel: Die Oetkers - Geschaefte und Geheimnisse ber bekanntesten Wirtschaftsdynastie Deutschlands Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ruediger Jungbluth
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Säuerungsmittels, wie es in späteren Jahren verwandt werden sollte, enthielt es Weinstein. Diese feinpulverige weiße Substanz, die auch bei der Weinherstellung entsteht, hatte August Oetker von jeher aus den Vereinigten Staaten bezogen. Er hatte den Rohstoff allerdings nicht direkt bei einem US-Hersteller gekauft, sondern über die Chemische Fabrik Goldenberg, die die Alleinvertretung in Deutschland hatte.
    |110| In den Jahren vor dem Ersten Weltkrieg hatte August Oetker manchmal die Sorge erfasst, was wohl passieren würde, wenn er den Weinstein nicht geliefert bekäme. Er hätte sein Backpulver dann nicht mehr in der gewohnten Weise produzieren können. In der von ihm benötigten Qualität konnte er Weinstein nirgendwo sonst kaufen. Diese Abhängigkeit hatte dem Unternehmer missfallen. Mit seinem Sohn Rudolf hatte er immer wieder einmal darüber diskutiert, ob man den Rohstoff nicht selber herstellen könnte. Sie waren aber jedes Mal zu dem Schluss gekommen, dass sie dazu nicht in der Lage waren.
    Den Herren im Vorstand und Aufsichtsrat der Chemischen Fabrik Goldenberg war natürlich nicht entgangen, in welcher Abhängigkeit sich Oetkers Unternehmen befand. Sie selbst waren allerdings ebenfalls abhängig geworden, denn die Firma Oetker hatte sich im Laufe der Jahre zum größten Abnehmer ihrer Chemikalien entwickelt. Daher waren die beiden Unternehmen 1916 eine förmliche Überkreuzbeteiligung eingegangen. Die Firma Oetker hatte 20 Prozent der Aktien der Chemischen Fabrik Goldenberg übernommen, die ihrerseits entsprechend am Oetker-Gewinn beteiligt wurde. Auf diese Weise hatte man die Geschäftsbeziehung zementieren wollen.
    Das war die Ausgangslage in der Krise der Firma Oetker zu Beginn der zwanziger Jahre. Jetzt witterten die Großaktionäre der Chemischen Fabrik Goldenberg ihre Chance. Sie kamen auf die naheliegende Idee, die Schieflage des Bielefelder Unternehmens zu einer Übernahme zu nutzen. Eine gewisse Logik sprach für eine solche Lösung. Der Gründer August Oetker war tot, und ein unternehmerischer Erbe fehlte in der Backpulverfabrik. Selbstbewusst meldeten die Eigentümer der Chemischen Fabrik Goldenberg ihre Ansprüche in Bielefeld an.
    Geschäftsführer Fritz Behringer stand in den Verhandlungen mit dem Rücken zur Wand. Er wusste: Wenn der Lieferant seinen Kredit fällig stellte, war der Untergang des Hauses Oetker unausweichlich. Das Unternehmen verfügte nicht über die Mittel, seine Schulden auf einen Schlag zu begleichen. Die Chemische Fabrik Goldenberg verlangte, dass die Firma Oetker als Erstes in eine Aktiengesellschaft umgewandelt |111| werden sollte, deren Mehrheit sie übernehmen wollte. Sie versprach, im Gegenzug auf ihre Forderungen zu verzichten. Behringer sah keine andere Möglichkeit, als seine Unterschrift unter ein vorläufiges Abkommen zu setzen.
    Im Herbst 1920 wurden die Witwe Caroline Oetker und ihre Schwiegertochter Ida in die Verhandlungen einbezogen. Die beiden Frauen waren entsetzt, als sie hörten, wie schlimm es stand. Der verstorbene August Oetker hatte in seinem Testament den Willen niedergelegt, dass das Unternehmen für seinen Enkelsohn Rudolf-August erhalten bleiben sollte. Seit dem Tod des Gründers waren noch keine drei Jahre vergangen – und schon, so schien es den Frauen, war das Erbe verspielt. Aus dem Unternehmen, das der Familie einst einen großen Wohlstand gebracht hatte, sollte eine anonyme Aktiengesellschaft unter fremder Mehrheit werden. Es war eine deprimierende Aussicht.
    In dieser Situation schaltete sich Richard Kaselowsky in die Verhandlungen ein. Sein Ziel war es, die Unabhängigkeit des Unternehmens Oetker zu erhalten. Er habe dies als eine »Freundespflicht« dem toten Rudolf Oetker gegenüber empfunden, hieß es in einer späteren Firmenchronik. Aber es ist ebenso gut möglich, dass es Kaselowsky darum ging, selbst die Herrschaft im Unternehmen Oetker ausüben zu können. Die Zeit spielte für ihn, den damals 32-Jährigen.
    Mit seiner Schwiegermutter im Rücken setzte Kaselowsky den Geschäftsführer Behringer unter Druck, eine andere Lösung zu finden. Kaselowsky argwöhnte, dass Behringer mit der von ihm befürworteten Umwandlung der Firma Oetker in eine Aktiengesellschaft auch persönliche Interessen verfolgte. Behringer war nach dem Krieg alleiniger Besitzer des Trocknungswerkes geworden, das er im Krieg für die Firma Oetker hatte errichten lassen. Dort waren in der Zeit fehlender Rohstoffe so genannte Ersatznahrungsmittel hergestellt

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