Die Oetkers - Geschaefte und Geheimnisse ber bekanntesten Wirtschaftsdynastie Deutschlands
worden. Nach dem Krieg ließen sich diese Erzeugnisse nicht mehr absetzen und das Werk arbeitete mit Verlusten. Nach dem damaligen Stand der Vereinbarungen, die Behringer mit der Chemischen Fabrik Goldenberg getroffen hatte, sollte die Anlage in die zu gründende Oetker AG eingehen.
|112| Fritz Behringer war kein sonderlich robuster Mann. Ihm fehlten die Härte und Unerschrockenheit, auf die es in einer solchen Auseinandersetzung ankam. Seine Position zwischen den Kontrahenten war äußerst unangenehm. Die Sorgen um die Zukunft des Unternehmens Oetker lasteten schwer auf dem Mann, dem der Firmengründer August Oetker drei Jahre zuvor die Nachfolge anvertraut hatte. Vermutlich machte er sich Vorwürfe wegen der leichtfertigen Bestellungen, mit denen er die Firma in Schwierigkeiten gebracht hatte. Die anschließenden Diskussionen mit den Direktoren der Chemischen Fabrik Goldenberg und mit Kaselowsky zermürbten ihn. Diesem Druck war er nicht gewachsen. Am 9. Februar 1921 starb Fritz Behringer.
Damit war für Richard Kaselowsky der Weg frei. Mit Wirkung vom 1. März 1921 machte Caroline Oetker ihren Schwiegersohn zum Teilhaber der Firma Oetker. Gleichzeitig durfte auch ihr Schwager Louis Oetker in den Kreis der Eigentümer aufrücken. Er sollte fortan in Bielefeld die Abteilungen für Verkauf und Werbung leiten. Die Verantwortung für Produktion, Finanzwesen und den Rohstoffeinkauf lag bei Richard Kaselowsky, der auch in den Aufsichtsrat der Chemischen Fabrik Goldenberg zog.
Als die Verhandlungen über die beabsichtigte Übernahme wieder aufgenommen wurden, erklärte Richard Kaselowsky, dass die Familie ihre Mehrheit an der Firma Oetker unter keinen Umständen abgeben wolle. Daher komme die bereits verabredete Umwandlung des Unternehmens in eine Aktiengesellschaft nicht in Frage. Das war ein neuer Ton. Aber die Gegenseite akzeptierte unter der Bedingung, dass die Firma Oetker ihre Schulden bezahlte. Man sei sogar bereit, nicht auf die Abnahme weiterer großer Mengen an Rohstoffen zu bestehen, die Oetker während des Booms 1919 bestellt hatte. Im Gegenzug müsse aber künftig ein größerer Anteil des Gewinns an die Chemische Fabrik Goldenberg abgeführt werden.
Das war ein vernünftiger Kompromissvorschlag. Erst sah es so aus, als würden sich beiden Seiten einig. Dann aber forderte Kaselowsky, dass die erhöhte Gewinnbeteiligung nur so lange gelten dürfe, bis die Verluste wettgemacht seien. Der neue Chef gab sich in den Gesprächen |113| betont zuversichtlich und stellte in Aussicht, dass die Firma Oetker ihre Schulden innerhalb eines bestimmten Zeitraumes begleichen und überdies alle bereits getätigten Bestellungen abnehmen würde. Nach einigem Hin und Her schlossen beide Seiten einen Vertrag, in dem die Tilgungstermine für den offenen Lieferantenkredit und die Abnahmepreise für künftige Rohstofflieferungen festgelegt wurden.
Dieser Vertrag war im Kern gleichbedeutend mit einer gewaltigen Wette um das Unternehmen Dr. August Oetker. Es war eine riesige Spekulation. Denn als die Vereinbarung geschlossen wurde, herrschte in Deutschland eine horrende Inflation. Der Verlauf dieser Geldentwertung sollte am Ende darüber entscheiden, ob die Firma Oetker ein Familienunternehmen blieb oder nicht.
Viele Deutsche machten damals die junge Republik für die Inflation verantwortlich. In Wahrheit war sie eine Folge des Kriegs, dessen Kosten nicht durch höhere Steuern finanziert worden waren. Nach dem Plan der kaiserlichen Regierung hätten die Kriegsgegner nach ihrer Niederlage den Deutschen Entschädigungen zahlen sollen. Damit hätten die Anleihen, die das Deutsche Reich seinen Bürgern in gewaltigem Umfang verkauft hatte, zurückgezahlt werden können. Aber die Rechnung ging nicht auf. Als der Krieg verloren war, musste Deutschland bluten. Im Versailler Vertrag bestimmten die Siegermächte, dass die Deutschen im Westen Elsass-Lothringen und Eupen-Malmedy abtreten mussten und im Osten die Provinzen Posen und Westpreußen. Nach einer Volksabstimmung kam Nordschleswig größtenteils zu Dänemark. Das Saarland durfte bis zu einer Abstimmung für 15 Jahre von Frankreich wirtschaftlich genutzt werden. Die Verluste für das Deutsche Reich waren gewaltig. Drei Viertel der Förderung von Zink und Eisenerz waren für die heimische Industrie verloren, ferner ein Viertel der Steinkohle und ein Sechstel der Getreideernte.
Der jungen Regierung war nach dem Waffenstillstand kaum etwas anderes übrig geblieben, als auf Pump zu
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