Die Oetkers - Geschaefte und Geheimnisse ber bekanntesten Wirtschaftsdynastie Deutschlands
sozialdemokratischen
Volkswacht
etablieren können. 1918 hatte der Gundlach-Vorstand den Namen der Zeitung geändert, da sie auch außerhalb Bielefelds viele Leser gefunden hatte. Aussichtsreicher schien daher der Name
Westfälische Neueste Nachrichten
.
|124| Es ist anzunehmen, dass Richard Kaselowsky die Gundlach-Aktien seines 1921 verstorbenen Vaters geerbt hat und dieses Aktienpaket dann mit Mitteln der Firma Oetker aufgestockt hat. 1925 übernahm der machtbewusste Oetker-Chef schließlich den Vorsitz im Gundlach-Aufsichtsrat. Die beiden Söhne des Firmengründers Ernst Gundlach waren zu diesem Zeitpunkt bereits tot. Aus der Familie gab es nur noch ein Mitglied, das in der Firma eine Rolle spielte: den damals 31-jährigen Hans Gundlach, der seit fünf Jahren im Vorstand saß. Unter den neuen Machtverhältnissen konnte sich der junge Gundlach nicht lange an der Firmenspitze halten. Ob er freiwillig ging oder herausgedrängt wurde, ist nicht überliefert worden. Jedenfalls verließ Hans Gundlach 1928 das Unternehmen und gründete umgehend seine eigene Firma in Bielefeld, die ebenfalls Verpackungen produzierte.
Für Richard Kaselowsky und die Familie Oetker bedeutete die Übernahme der E. Gundlach AG einen Einstieg in ganz neue Geschäftsfelder. Gundlach druckte nicht nur Verpackungen und Plakate, sondern auch Bücher. Und neben den
Westfälischen Neuesten Nachrichten
verlegte das Unternehmen eine Vielzahl traditionsreicher Fachzeitschriften wie das Fahrradblatt
Der Rad-Markt
und die
Deutsche Nähmaschinen-Zeitung
.
Das Unternehmen entwickelte sich gut, nachdem Kaselowsky und die Oetkers es unter ihre Kontrolle gebracht hatten. 1925 gründete die Gundlach AG ein Zweigwerk im benachbarten Wiedenbrück, weil die Kapazitäten im Stammwerk nicht mehr ausreichten. Die Industrie orderte damals so viele Verpackungsbeutel, dass Gundlach auch noch einen kleineren Hersteller in Aschersleben bei Magdeburg übernahm. Für Oetker druckte Gundlach in hoher Auflage die Koch- und Backbücher sowie Rezepthefte.
Mit ihren Gewinnen aus der Nährmittelfabrik finanzierten Kaselowsky und die Oetkers in den zwanziger Jahren neben der Gundlach-Übernahme noch weitere Beteiligungskäufe. So stiegen sie unter anderem bei der Kochs Adlernähmaschinen-Werke AG ein, einem überaus renommierten und alteingesessenen Bielefelder Unternehmen. Kaselowsky und die Oetkers übernahmen einen Großteil der |125| Aktien, möglicherweise sogar die Mehrheit. Das zeigte sich darin, dass der Oetker-Chef 1928 im Aufsichtsrat des Nähmaschinenherstellers das Amt des stellvertretenden Vorsitzenden ausübte.
Dieses Mandat war nicht sein einziger Posten außerhalb der Firma Oetker. Im Aktienhandbuch des Jahres 1930 sind hinter Kaselowskys Namen nicht weniger als fünf Mandate vermerkt. Der Oetker-Teilhaber war damals Aufsichtsratschef der Chemischen Fabrik Budenheim AG in Mainz, der E. Gundlach AG sowie der Vogt & Wolf Aktiengesellschaft in Gütersloh, einer Fleischwarenfabrik, in deren Aufsichtsrat sein Vater schon gesessen hatte. Offenbar besaß die Familie Kaselowsky also auch hier einen Anteil, der dann durch die Firma Oetker noch ausgebaut wurde, denn auch Louis Oetker erhielt später einen Sitz im Aufsichtsrat von Vogt & Wolf.
Überdies gehörte Richard Kaselowsky in den späten zwanziger Jahren auch dem Aufsichtsrat der Deutschen Bank AG an. Es ist denkbar, dass der Kontakt zu dem Geldinstitut durch seinen Schwager Ferdinand Meyer zustande kam. Der Bruder Ida Kaselowskys war Syndikus der Deutschen Bank. Mit diesem Mandat gelang es Kaselowsky, einen Platz in einem der einflussreichsten Kreise einzunehmen, die es in der Wirtschaft der Weimarer Republik gab. Allerdings war das Gremium in dieser Zeit noch nicht so exklusiv, wie es später einmal werden würde. 1930 zählte der Aufsichtsrat der Deutschen Bank nicht weniger als 115 Mitglieder.
In den späten zwanziger Jahren verschärfte sich in der Backpulverbranche die Konkurrenz. Große Konzerne der US-Lebensmittelindustrie machten sie daran, mit ihren Erzeugnissen den deutschen Markt aufzurollen. Die Angreifer schalteten eine Vielzahl von Anzeigen in deutschen Zeitungen und Illustrierten. Doch die Firma Oetker verteidigte ihr Terrain. Louis Oetker ließ die Werbung für »Backin« verstärken und es gelang ihm, Dr. Oetkers Position bei den deutschen Hausfrauen zu behaupten.
Das geschah zu einer Zeit, als der US-Autohersteller General Motors die renommierte Adam Opel AG übernahm und viele andere
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