Die Oetkers - Geschaefte und Geheimnisse ber bekanntesten Wirtschaftsdynastie Deutschlands
Unternehmen den Besitzer wechselten. Ein Konsortium unter Führung der |126| US-Bank J. P. Morgan bot auch den Oetkers und Kaselowsky an, alle Anteile an der Bielefelder Firma zu kaufen. Dasselbe Bankhaus hatte 1929 in den USA schon die Anteile der Familie Dohme an der Pharmafirma Sharp & Dohme übernommen. Alfred R. L. Dohme hatte sich von seinen Aktien getrennt, weil es in der Familie keinen Nachfolger für die Firmenspitze gab.
Im Gegensatz zu den Verwandten in den Vereinigten Staaten wollten die Oetkers und Kaselowskys ihre Firma nicht verkaufen. Als die Bielefelder die Offerte zurückwiesen, starteten die US-Backpulverproduzenten einen neuen, noch größeren Werbefeldzug in Deutschland. Dieses Mal wehrten sich Richard Kaselowsky und Louis Oetker nicht nur mit Reklame. Die Bielefelder verlegten sich aufs Prozessieren. Sie verklagten die US-Konkurrenz vor deutschen Gerichten wegen zahlreicher Verstöße gegen das Nahrungsmittelgesetz. Sie machten beispielsweise geltend, dass die Werbung der Amerikaner gegen Vorschriften zur Kennzeichnung von Lebensmitteln verstieße. Auf diesem Gebiet war der Bielefelder Laborchef Rudolf Flebbe ein gewiefter Fachmann, der Chemiker kannte sich wie kaum ein zweiter im Labyrinth der gesetzlichen Bestimmungen aus. Im Laufe mehrerer Jahre strengte die Firma Oetker nicht weniger als zwölf Verfahren gegen ausländische Wettbewerber an. Die meisten davon gewannen die Bielefelder auch.
Die US-Konkurrenten erkannten, dass sie es auf dem deutschen Markt schwer haben würden und boten den Bielefelder Marktführern ihren vollständigen Rückzug an. Im Gegenzug sollte die Firma Oetker die Kosten für die bislang investierte Werbung erstatten. Kaselowsky und Louis Oetker berieten sich mit ihren Mitarbeitern. Vor allem Flebbe riet ab. Es liefen noch zwei Prozesse, die Oetker ebenfalls gewinnen würde, prognostizierte er. Tatsächlich endeten die Verfahren aber mit einem Vergleich, bei dem auch die Firma Oetker zahlen musste. Das änderte aber nichts daran, dass das Bielefelder Unternehmen die Abwehrschlacht gewann. Der US-Backpulverhersteller zog sich vom deutschen Markt zurück.
Als die Geschäfte gut liefen und der Reichtum der Oetkers wuchs, entschloss sich die Familie, dem im Krieg gefallenen Rudolf Oetker in |127| Bielefeld ein Denkmal zu setzen. Der Sohn des Firmengründers und promovierte Naturwissenschaftler war ein musischer Mensch gewesen. Er hatte Klavier und Orgel gespielt und vor dem Krieg Stunden bei dem Bielefelder Musikdirektor Wilhelm Lamping genommen. Dieser Künstler hatte darunter gelitten, dass es in der Stadt keinen Festsaal gab, in dem er seine Konzerte leiten konnte. So war Rudolf Oetker auf den Gedanken gekommen, dass die Familie einen Teil der Gewinne dazu verwenden könnte, ihrer Heimatstadt eine Konzerthalle zu schenken.
Neun Jahre nach dem Tod ihres einzigen Sohnes stellte Caroline Oetker eine größere Summe für eine Konzerthalle zur Verfügung. Die Düsseldorfer Architekten Tietmann und Haake entwarfen einen imposanten Bau. Er hatte einen neunjochigen Arkadenportikus aus eng beieinander stehenden Pfeilern, die fast so hoch ausfielen wie das Gebäude selbst. 1930 wurde die Tonhalle eingeweiht, die mehr als 1500 Konzertbesuchern Platz bot. Das Bauwerk erhielt den Namen Rudolf Oetkers und wurde ihm und »seinen im Weltkrieg mit ihm gefallenen Bielefelder Kameraden« gewidmet. Anderthalb Millionen Mark ließ sich die Familie Oetker die Konzerthalle kosten, die noch Jahrzehnte später für ihre besondere Akustik gerühmt werden sollte.
Als das Orchester im Oktober 1930 die Halle mit der 1. Symphonie in c-Moll von Johannes Brahms einweihte, saß Caroline Oetker mit dem Ehepaar Kaselowsky in der ersten Reihe. Es war eine Einweihungsfeier in düsterer Zeit. Ein Jahr zuvor waren an der New Yorker Börse die Aktienkurse ins Bodenlose gestürzt. Mit großem Knall war am 24. Oktober 1929 eine Spekulationsblase geplatzt. Innerhalb weniger Stunden waren die stark überbewerteten Papiere um 90 Prozent gefallen. Finanzpanik hatte sich ausgebreitet und das gesamte Kreditsystem zum Einsturz gebracht. Auch Deutschland war in den Abwärtssog geraten, als die US-Banken ihren Schuldnern im Ausland die Kredite gekündigt hatten. Der gesamte Welthandel brach ein.
Die deutsche Wirtschaft traf der Schlag besonders hart. Das Land war von ausländischem Kapital ebenso abhängig wie vom Export seiner Industriewaren. Eine Höllenfahrt begann. Bis zum Tiefpunkt im |128| Jahr 1932 fiel die
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