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Die Oetkers - Geschaefte und Geheimnisse ber bekanntesten Wirtschaftsdynastie Deutschlands

Titel: Die Oetkers - Geschaefte und Geheimnisse ber bekanntesten Wirtschaftsdynastie Deutschlands Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ruediger Jungbluth
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war in den dreißiger Jahren als Reichsbankdirektor entlassen worden, weil er die inflationistische Rüstungsfinanzierung nicht hatte verantworten wollen. Die Verschwörer des 20. Juli 1944 wollten ihn, der als herausragender Fachmann galt, zum Reichsbankpräsidenten machen. In den Monaten vor dem Attentat auf Hitler verbrachte Blessing mehr Zeit mit Männern aus dem Widerstand als im Freundeskreis Himmler.
    Von Richard Kaselowsky ist dagegen keinerlei Sympathie mit der Opposition und dem Widerstand überliefert worden. Allerdings gehörte der Oetker-Chef auch nicht zu jenen Mitgliedern des Kreises, die in die SS aufgenommen wurden und Ehrenränge trugen wie der SS-Standartenführer Emil Meyer von der Dresdner Bank oder sein Vorstandskollege, der SS-Obersturmbannführer Karl Rasche. Vogelsang brachte die heterogene Zusammensetzung des Freundeskreises später auf die Formel: »Ein Club tüchtiger Geschäftsleute und begabter Bürokraten, begeisterter und kritischer Nationalsozialisten, Widerstands-Sympathisanten und SS-Mörder, vor allem aber ganz gewöhnlicher Opportunisten.«
    Es liegt auf der Hand, was Richard Kaselowsky mit seiner Mitgliedschaft im Freundeskreis bezweckte. Es ging dem Industriellen um Beziehungen, die in der Wirtschaft des »Dritten Reiches« ja eine außerordentlich große Rolle spielten. Der Kreis war zwar keine wichtige Schaltstelle im System, er bot seinen Mitgliedern aber immerhin |151| die Möglichkeit zur Durchsetzung ihrer eigenen Interessen im Beziehungsgeflecht der NS-Wirtschaft. Kaselowsky konnte hier wichtige Kontakte in die Reichsbürokratie und zu Parteistellen knüpfen. Und er bekam die Möglichkeit, bei Verhandlungen um die Zuteilung von Rohstoffen und Aufträgen an seine guten Verbindungen zu den Machthabern zu erinnern.
    Dem Unternehmen Dr. Oetker ging es während der NS-Zeit ausgesprochen gut. Als während des Kriegs die Bevölkerung dirigistisch über Lebensmittelmarken versorgt wurde, blieb Puddingpulver stets ein fester Bestandteil der Ernährung. Diesem Produkt wurde sogar ein besonderer Abschnitt auf den Lebensmittelkarten eingeräumt. »Es bleibt erstaunlich, welche große Bedeutung damals auch von der Regierung dem Backpulver und Puddingpulver und dementsprechend allem, was dazugehört, zuerkannt wurde«, sollte sich noch 20 Jahre nach dem Krieg der langjährige Oetker-Prokurist Gustav Puls wundern. »Im Vergleich zu 1914/18 war deshalb diesmal die Lage für die Firma Dr. Oetker in mancher Hinsicht zunächst etwas günstiger.«
    Kaselowskys Unternehmen profitierten im »Dritten Reich« in zunehmendem Maße von Staatsaufträgen. Bei Gundlach wurden seit 1939 Lebensmittelmarken gedruckt. In Millionenauflage produzierte das Bielefelder Unternehmen ferner Bezugsscheine für Schuhe, Mäntel, Zigaretten und andere Waren. Ein wachsendes Geschäft war auch der Druck von Formularen für die NS-Bürokratie. Gundlach druckte außerdem Verpackungen für die Verpflegung der Frontsoldaten und Landkarten für den Generalstab. Noch in den letzten Kriegsmonaten sollten bei Gundlach Plakate gedruckt werden, nicht für Pudding wie zu Friedenszeiten, sondern amtliche Warnhinweise vor ausländischer Spionage und Defätismus: »Feind hört mit!« Nicht zuletzt durch seine Behördenaufträge war das Unternehmen so gut ausgelastet, dass die Belegschaft in Doppelschicht arbeiten musste.
    Während des Krieges war die Firma Gundlach stärker auf das Wohlwollen der Machthaber angewiesen, als dies für Unternehmen der Rüstungsindustrie galt. Die Erzeugnisse des Druck- und Verlagshauses galten als nicht kriegswichtig. Das örtliche Arbeitsamt versuchte |152| immer wieder, dem Unternehmen Arbeitskräfte zu entziehen, um sie in der Waffen- und Munitionsherstellung einzusetzen. Nicht immer gelang es den Gundlach-Managern, das abzuwehren.
    Der Gundlach-Vorstand scheute sich nicht, die Lücken in der Belegschaft durch Zwangsarbeiter aufzufüllen. Das Unternehmen beantragte bei den Behörden die Zuweisung von 185 so genannten Fremdarbeitern, die es bald darauf auch bekam. Die Mehrheit dieser Zwangsarbeiter war aus den von der Wehrmacht eroberten Ländern Osteuropas nach Bielefeld verschleppt worden. Einige dieser Menschen wurden schwer misshandelt, wie aus einem Schreiben einer deutschen Gundlach-Arbeiterin hervorgeht, die nach dem Krieg von Übergriffen des Gundlach-Generaldirektors Friedrich Schaarschmidt berichtete: »Er hat dann den Leiter der Gestapo und zwei weitere Gestapobeamte kommen lassen, unter

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