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Die Oetkers - Geschaefte und Geheimnisse ber bekanntesten Wirtschaftsdynastie Deutschlands

Titel: Die Oetkers - Geschaefte und Geheimnisse ber bekanntesten Wirtschaftsdynastie Deutschlands Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ruediger Jungbluth
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dieser Zeit 36 Mitgliedern im Freundeskreis Himmler. Falls sich der Oetker-Chef erst kurz vor Erstellung dieser Liste der Runde angeschlossen hätte, wäre das eher als belastend zu werten. Der Leiter des SS-Wirtschafts- und Verwaltungshauptamtes Oswald Pohl sagte nach dem Krieg im Nürnberger Prozess: »Von 1937 an waren jedenfalls die Mitglieder des Freundeskreises ausgesuchte politisch zuverlässige und loyale Leute, sonst wären sie nicht von Himmler eingeladen worden. Die Auslese wurde von Kranefuß, dem engen Vertrauten von Himmler, gemacht, der als Industrieller die Kreise der Industrie sehr wohl kannte.«
    Was war das für eine Runde, in die der Oetker-Chef aufgenommen wurde? Die Mitgliederliste von 1939 liest sich wie ein »Who is who?« der deutschen Wirtschaft. Aus den Vorständen und Aufsichtsräten der wichtigsten deutschen Unternehmen und Banken rekrutierten sich die »Freunde«. Dabei war es für Interessenten aus der Wirtschaft alles andere als einfach, in den Kreis aufgenommen zu werden. Zahlreiche Industrielle versuchten in den dreißiger Jahren, Mitglied zu werden |144| und boten sogar Geld für die Aufnahme. Aber jeder, der sich in den Freundeskreis einzukaufen versuchte, wurde von Kranefuß schon aus diesem Grund zurückgewiesen. Himmler selbst hatte eine Abneigung gegen Unternehmer und Manager, die nur auf ihren finanziellen Vorteil bedacht waren, und titulierte solche Leute als »Wirtschaftshyänen«. Nach Aussagen eines Mitglieds zählte »Sauberkeit des Anwärters in der Wirtschaftspraxis« zu den persönlichen Voraussetzungen für eine Aufnahme in den Freundeskreis. Die Bewerber überprüfte Kranefuß und schlug dann Himmler jedes Mal von neuem vor, wer zur nächsten Zusammenkunft eingeladen werden sollte.
    Neben den Herren aus der Wirtschaft gehörten dem Freundeskreis Himmler eine Reihe höherer Beamter aus den Ministerien für Wirtschaft, Finanzen und Verkehr an. Vor allem aber war nach der Anbindung des Keppler-Kreises an Himmler eine Reihe höherer SS-Führer dazugestoßen. Dadurch kamen die Wirtschaftsherren in Kontakt mit Leuten wie Otto Ohlendorf, dem damaligen Amtschef im gefürchteten Reichssicherheitshauptamt, mit Himmlers Chefadjutanten Karl Wolff und dem Chef des SS-Sanitätsamts Dr. Fritz Dermietzel. Der Freundeskreis blieb gleichwohl ein informeller Club, der weder Mitgliedsbücher noch Satzung kannte. Er war auch formell keine Unterorganisation der SS.
    Bis 1939 trafen sich die Unternehmer, Bankiers und SS-Führer nur unregelmäßig, dann lud Kranefuß die Herren einmal im Monat ein. Richard Kaselowsky reiste zu den Treffen in Berlin jeweils am zweiten Mittwoch eines Monats. Der Unternehmer versuchte gewöhnlich, die Zusammenkunft mit anderen Terminen zu verbinden. Üblicherweise trafen sich die Herren abends im »Haus der Flieger«. Nach einem Cocktail dinierte der Freundeskreis in wechselnder Tischordnung. Anschließend zog man sich zu Gesprächen in die Clubräume zurück.
    Der Ort des Geschehens hatte für Richard Kaselowsky eine besondere Bedeutung. Das »Haus der Flieger« war zuvor der Preußische Landtag gewesen. In dem prachtvollen Gebäude hatte Kaselowskys Vater zur Zeit des Kaiserreichs als nationalliberaler Abgeordneter gewirkt. Im »Dritten Reich« war aus dem früheren Plenarsaal dann so etwas |145| wie der Ballsaal der Diktatur geworden, nachdem Hermann Göring als letzter preußischer Ministerpräsident das Parlament 1933 abgeschafft hatte und das Gebäude zum »Haus der Flieger« hatte umbauen lassen. Sein Reichsluftfahrtministerium lag gleich nebenan.
    Für die Herren aus der Wirtschaft waren die Abende im Freundeskreis eine einmalige Gelegenheit, informelle Gespräche mit einflussreichen Männern aus Ministerien und der Partei führen zu können. Obwohl in diesem Kreis eigentlich niemand wagen konnte, bei politischen Themen oppositionelle Ansichten zu äußern, scheint es doch zu Missstimmungen gekommen zu sein. Nach einem nicht näher benannten Zwischenfall erließ Kranefuß nach Aussage eines Mitglieds jedenfalls ein förmliches Verbot politischer Debatten. Später war auch die Kriegslage ein heikles Thema.
    Andererseits machte es aus Sicht von Kranefuß keinen Sinn, wenn im Freundeskreis nur Belanglosigkeiten und Privatangelegenheiten besprochen wurden. Doch Himmler selbst war strikt dagegen, den Wirtschaftsleuten einen tieferen Einblick in die Arbeit oder gar die Verbrechen der SS zu geben. Daher ging Kranefuß mit der Zeit dazu über, die Abende mit

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