Die Oetkers - Geschaefte und Geheimnisse ber bekanntesten Wirtschaftsdynastie Deutschlands
Wirtschaftskrise stillgelegt worden waren, in Betrieb genommen werden können. Das Hamburger Zweigwerk arbeitete seit 1934 in Doppelschichten. Es produzierte etwa zehnmal so viel wie im Gründungsjahr 1924. Die Waren gingen nach Berlin, Ostpreußen und Schlesien, aber auch per Schiff nach Übersee. Eine Vielzahl neuer Maschinen wurde aufgestellt, darunter ein Faltschachtelautomat für die beliebte »Götterspeise«.
|158| Um den Absatz ihrer Erzeugnisse weiter anzukurbeln, gingen die Bielefelder Werbemanager neue Wege. Sie ließen nach eigenen Plänen eine Hand voll Filmvorführfahrzeuge herstellen. An der Rückwand hatten diese Busse eine Leinwand. Damit waren die Werber nicht mehr auf Säle angewiesen, wenn sie ihre Streifen im Deutschen Reich vorführten. Nicht selten reichte die Zahl der Zuschauer vor den Filmwagen an die 1000.
In den Jahren 1935/36 ließ das Unternehmen in Bielefeld die beiden Fabrikbauten, die der Gründer um die Jahrhundertwende errichtet hatte, abreißen, um Platz für eine neue Fabrik zu schaffen, die noch rationeller arbeitete. Ein entscheidendes Motiv beim Neubau war der Wunsch der Firmenleitung nach einem Festsaal, »einer Stätte, an der sich die Gefolgschaft bei feierlichen Anlässen versammeln konnte«, wie es hieß. Bis dahin hatten die Feiern, deren Zahl im NS-Staat stark zugenommen hatte, im Abfüllsaal des Puddingpulvers stattgefunden. Für die neue Fabrik wurden über 400 Tonnen Eisen verbaut. Die Bauherren richteten sich dabei bereits auf einen Krieg ein, es wurden nach Firmenangaben »die Anforderungen des Luftschutzes berücksichtigt«.
Eine maßgebliche Rolle beim Neubau spielte Karl Oetker, den Kaselowsky 1934 nach Bielefeld geholt hatte. Er stammte aus Altona und war jener Neffe des Bielefelder Firmengründers, der sich nach dem Ersten Weltkrieg einem Freikorps angeschlossen hatte. 1932 hatte er zunächst als Berliner Generalvertreter für die Back- und Puddingpulverfabrik zu arbeiten begonnen. In Bielefeld wurde er Prokurist, später dann Direktor und »stellvertretender Betriebsführer«. 1937 wurde Karl Oetker auch Anwärter auf die NSDAP-Mitgliedschaft, angeblich |159| aber nicht auf seinen eigenen Wunsch, sondern unter dem Zwang Kaselowskys. Ein Freund namens Emil Berckemeyer sollte Karl Oetker jedenfalls nach dem Krieg bescheinigen: »Ich entsinne mich auch, dass Herr Oetker – es war im Jahr 1937 – unter Druck der Geschäftsleitung der Firma Dr. August Oetker gezwungen wurde, in die Partei einzutreten, was ihn einen seelischen Kampf gekostet hat.«
In der Familie Oetker hat man ihn wegen seiner Parteimitgliedschaft damals wohl kaum scheel angesehen. Kaselowsky war – wie übrigens auch sein Bruder – schon seit 1933 Parteigenosse, und seine Frau Ida war ebenfalls in die Partei eingetreten und engagierte sich in der NS-Frauenschaft.
Das Unternehmen Dr. August Oetker warf in den dreißiger Jahren hohe Gewinne ab. Die Liquidität der Nahrungsmittelfabrik war so gut, dass es Richard Kaselowsky leicht fiel, im Februar 1936 einen Großkredit an die E. Gundlach AG zu geben, deren Aktien mehrheitlich im Oetker-Besitz lagen. Mit dem Geld stockte die Druckerei ihre Vorratslager an Papier und Leder auf, damit sie auch in einer Kriegswirtschaft würde weiter produzieren und liefern können. Einer der größten Kunden Gundlachs waren damals die Reemtsma Cigarettenfabriken, in deren Auftrag das Unternehmen in den dreißiger Jahren einige Millionen Alben für Sammelbilder produzierte. Raucher konnten diese Abbildungen von Königen, Dichtern und Filmstars, die den Zigaretten beilagen, in die Bücher kleben.
1938 richtete die Bielefelder Firma Oetker in Berlin eine Geschäftsstelle ein. Seit der Vierjahresplan galt, konnte das Unternehmen etliche Rohstoffe nicht mehr frei einkaufen. Man brauchte behördliche Zuteilungen und Genehmigungen. Kaselowsky begriff, dass es in dieser Situation hilfreich sein würde, wenn das Unternehmen mit eigenen Leuten in der Reichshauptstadt vertreten wäre. Sie konnten bei Parteifunktionären und Beamten vorsprechen, um die benötigten Kontingente zu sichern.
Den »Anschluss« Österreichs an das Deutsche Reich nutzte Kaselowsky 1938 für die »Heimholung« einer Zweigniederlassung, die August Oetkers früherer Prokurist Hornberg viele Jahre auf eigene |160| Rechnung geführt hatte. Der Betrieb in Baden bei Wien wurde jetzt wieder dem Bielefelder Stammhaus unterstellt. Ebenso geschah es mit drei Werken in Brünn, Budapest und Maribor. In der
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