Die Oetkers - Geschaefte und Geheimnisse ber bekanntesten Wirtschaftsdynastie Deutschlands
dem Hinweis, eine Russin habe gestohlen. Ging des Abends mit diesen genannten Herren unter Mitnahme einer Russin in den Keller, von dem dann gleich darauf entsetzliches Geschrei gedrungen ist. Nach ein paar Tagen hat diese Russin dann verschiedenen deutschen Arbeiterinnen ihren vollständig blutunterlaufenen Unterkörper gezeigt.«
Bei einem anderen Unternehmen, an dem Oetker beteiligt war, wurden in noch größerem Umfang Menschen zur Arbeit gezwungen. Die Kochs Adlernähmaschinen-Werke waren im Krieg vollständig auf Rüstungsproduktion umgestellt worden. Die Zahl der Fremdarbeiter belief sich dort auf rund 670 Menschen, von denen die meisten aus der Sowjetunion verschleppt worden waren.
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11. »Ein Nationalsozialistischer Musterbetrieb«
Das Unternehmen im Dritten Reich
I m September 1933 starb Louis Oetker. Der jüngere Bruder des Firmengründers war geschäftsführender Teilhaber der Bielefelder Nahrungsmittelfabrik gewesen. »Der Tod ereilte ihn inmitten des Werkes, dem er sein bestes Können gewidmet hatte«, hieß es in einem Nachruf.
Richard Kaselowsky war nun der alleinige Chef. Als »Betriebsführer« wurde er zum unumschränkten Herrscher des Bielefelder Unternehmens. Der Betriebsrat war abgeschafft worden. Dafür regierte nun die Deutsche Arbeitsfront (DAF) mit. Diese Massenorganisation war 1933 nach der Zerschlagung der Gewerkschaften als Zwangsgemeinschaft sowohl für Arbeiter als auch für Arbeitgeber gegründet worden. Sie sollte eine »Volks- und Leistungsgemeinschaft« herbeiführen und die Arbeiter in den NS-Staat integrieren. Mit Freizeitangeboten und Urlaubsreisen wurde der DAF-Ableger »Kraft durch Freude« (KdF) zur beliebtesten Organisation des NS-Regimes.
Als Verbindungsmann zwischen der DAF und der Firma arbeitete ein Mann namens Otto Krüger, eine Art Politkommissar der NSDAP. Krüger hatte den Auftrag, den Betrieb nach »nationalsozialistischen Grundsätzen« auszurichten. Er begann, bei Oetker ein innerbetriebliches Überwachungssystem aus Zellen und Blöcken einzurichten. Zwischen zehn und 20 Beschäftigte bildeten jeweils einen Block, dem ein so genannter Betriebsblockobmann vorstand. Vier bis sechs solcher Blöcke ergaben eine Betriebszelle, von denen es insgesamt 13 im Unternehmen gab.
Daneben kümmerte sich eine Betriebsfrauenwalterin um die weiblichen |154| Beschäftigten und ein Betriebsjugendwalter um die Lehrlinge. Für Freizeit und Feierabende der Oetker-Mitarbeiter war der KdF-Wart zuständig, der Ausflüge und Kameradschaftsabende organisierte. Ihm unterstellt war der KdF-Betriebssportwart, dessen Aufgabe der Betriebsobmann Krüger mit den Worten beschrieb: »Wirklich gesunde Menschen, die furchtlos, mit eisernen Nerven und klaren Augen die Gefahr sehen, ihr begegnen und sie niederringen, das ist der Mensch, den wir formen wollen und müssen. Wir wollen, um die Zukunft Großdeutschlands für immer zu sichern, den gesunden, starken, lebensfreudigen und damit lebensbejahenden Menschen.«
Die Firmenleitung konzentrierte sich derweil lieber auf praktische Verbesserungen. Richard Kaselowsky unternahm beträchtliche Anstrengungen, die Wohnungsnot in Bielefeld zu beheben. Die Firma Oetker vergab günstige Kredite an ihre Beschäftigten und ließ auch selbst Häuser bauen. In der Siedlung Senne I wurden im Auftrag der Nahrungsmittelfabrik 100 Eigenheime für kinderreiche Familien errichtet. Die Häuser hatten fünf Zimmer, einen Viehstall und einen Garten von rund 1000 Quadratmetern. Landwirtschaftslehrerinnen brachten den Frauen bei, wie sie einen Gemüsegarten anlegen konnten. Bis 1938 stieg die Zahl der Immobilien, die das Unternehmen finanzierte, auf 800.
Der Bau solcher Siedlungen diente allerdings nicht allein dem Zweck, jungen Familien zu Wohnraum zu verhelfen. Er war auch Teil der Vorbereitung des Regimes auf den großen Krieg. »Das Konzept der Heimstättensiedlung diente im Rahmen der ›Erzeugungsschlacht‹ der Intensivierung der Nahrungsmittelproduktion und Sicherstellung der Ernährung im künftigen Krieg«, schreibt Renate Harter-Meyer in ihrem Buch über die Hausfrauen im Nationalsozialismus. »Eine zusätzliche Anzahl von Frauen in der Stadt wurde qualifiziert, sich unter schwierigen Bedingungen selbst zu ernähren. Auch das war wichtig, denn im künftigen Krieg würde der Ernährer im Feld sein.«
Früh schon zielte die Politik der Nationalsozialisten auf »Nahrungsmittelfreiheit«, damit das Land im Ernstfall von Importen
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