Die Oetkers - Geschaefte und Geheimnisse ber bekanntesten Wirtschaftsdynastie Deutschlands
Vorträgen und Filmvorführungen zu gestalten. Da ging es dann um Tibet, den Teppich von Bayeux oder die Umsiedlung der Baltendeutschen.
Einmal trat Heinrich Himmler selbst als Vortragsredner auf. Der SS-Chef referierte über die germanische Frühgeschichte, für die er sich seit langem begeisterte. Nach Kriegsbeginn ließ er sich dann aber nur noch selten auf den Veranstaltungen seines Freundeskreises sehen. Wenn er doch kam, galt das als etwas ganz Besonderes. Die Herren empfingen ihn stehend, und Himmler begrüßte jeden mit Handschlag. Nach dem Essen brach er gleich wieder auf. Bis nach Mitternacht dauerten nur die Feierstunden am Grab König Heinrichs I., zu denen Himmler neben anderen Gästen auch die Herren seines Freundeskreises in den Quedlinburger Dom lud. Im Gedenken an den König – dessen Vornamen der Reichsführer SS trug – legte Himmler zum mitternächtlichen Glockenschlag einen Lorbeerkranz nieder.
Im Februar 1937 folgte der Freundeskreis der Einladung zu einem |146| zweitägigen Programm in das Gestapo-Hauptquartier an der Berliner Prinz-Albrecht-Straße. Reinhard Heydrich referierte über den Sicherheitsdienst und die Sicherheitspolizei. Ein SS-Untersturmführer sprach über das Judentum, ein Kriminalrat über den Kommunismus. Nach einem Mittagessen im Gestapo-Kasino ließen sich die Wirtschaftsleute zu einem Besuch bei der Leibstandarte Adolf Hitler kutschieren. Am folgenden Tag hörten sie im Polizeiinstitut in Charlottenburg aus dem Munde eines SS-Obersturmbannführers, wie das Regime gegen Homosexuelle und Frauen, die ein Kind abgetrieben hatten, vorging.
1939 besichtigen die Finanz- und Industrieherren das Konzentrationslager Sachsenhausen, wo Leichtbausteine nach einem neuen Verfahren produziert wurden. Drei Jahre zuvor hatte der Freundeskreis schon einen Ausflug nach Dachau gemacht. Dort hatte Himmler die Herren persönlich durch das Konzentrationslager geführt und verschiedene Häftlinge antreten lassen. Friedrich Flick sollte von dem Besuch in Dachau die großen sauberen Hallen in Erinnerung behalten, in denen Häftlinge Metallschränke herstellten. Himmler war daran gelegen, den Wirtschaftsleuten den Eindruck humaner Haftbedingungen im KZ zu vermitteln. Dennoch war einigen Besuchern aufgefallen, dass die Gesichter der vorgeführten Häftlinge das Gegenteil bewiesen. Die meisten Ausflügler waren daher erleichtert gewesen, als sie nach dem Konzentrationslager noch eine im SS-Besitz befindliche Porzellanfabrik hatten besichtigen dürfen.
Manchmal traf sich der Freundeskreis Himmler auch im Goebbels-Ministerium. Dort durften sich der Oetker-Chef und die anderen neue Filme über die Luftwaffe oder die Waffen-SS anschauen. Im Laufe der Zeit wurden die Zusammenkünfte den meisten Herren aber zunehmend lästig. In den Kriegsjahren hatten die Unternehmer Wichtigeres zu tun, als sich zu Clubabenden einzufinden. Manche Mitglieder sagten ihre Teilnahme immer häufiger ab. Kranefuß reagierte darauf ungehalten. Er scheute sich nicht, solche Mitglieder bei nächster Gelegenheit förmlich zu ermahnen. Mit Richard Kaselowsky hatte er in dieser Hinsicht allerdings keine Probleme. Ihm bescheinigte Kranefuß später in einem Brief an Himmlers Adjutanten: »Trotz der verschiedensten |147| durch die Verkehrsverhältnisse usw. bedingten Erschwerungen hat sich Herr Dr. Kaselowsky immer bemüht, an unseren Zusammenkünften teilzunehmen.«
Es gibt eine Fotografie, die Kaselowsky gemeinsam am Tisch im Gespräch mit dem Reichsführer SS zeigt. Doch wie nahe sich Himmler und Kaselowsky im Freundeskreis kamen, ist nicht überliefert. Immerhin hatten die beiden Männer ein gemeinsames Thema außerhalb von Politik und Wirtschaft. Beide hatten eine Zeit lang denselben, sehr seltenen Beruf ausgeübt: Hühnerzüchter. Heinrich Himmler hatte in Waldtrudering einen Hühnerhof betrieben, bis ihn Hitler 1929 zum Führer der damals 300 Mann starken SS ernannt hatte. Kaselowsky hatte von 1914 bis 1916 in Bad Nauheim Hühner gezüchtet.
Als der Freundeskreis seinen Mentor Himmler im Dezember 1943 in dessen Feldquartier in Ostpreußen besuchte, gehörte Kaselowsky zur Reisegruppe. Nach einer 13-stündigen Fahrt in einem Zug mit Schlafwagen und einer kurzen Busfahrt trafen die Herren gegen zehn Uhr am Vormittag in der Feldkommandostelle bei Lötzen ein. In einer Baracke mit dem Namen »Wurzhütte« wurden Weißwürste zum Frühstück serviert, dann folgte die Besichtigung der Anlage.
Mittags sprach Himmler zu den
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