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Die Oetkers - Geschaefte und Geheimnisse ber bekanntesten Wirtschaftsdynastie Deutschlands

Titel: Die Oetkers - Geschaefte und Geheimnisse ber bekanntesten Wirtschaftsdynastie Deutschlands Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ruediger Jungbluth
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für 180000 Reichsmark ein Drittel der Anteile an der Hunsa-Forschungs-GmbH. Zweck des Gemeinschaftsunternehmens war laut Handelsregister »die Förderung der Forschung auf dem gesamten Gebiet des Nahrungsmittelwesens und der Grundstoffe für die Erzeugung von Nahrungsmitteln, insbesondere auf dem Gebiet der Weiterverarbeitung von den in der Industrie sich ergebenden Neben und Restprodukten«. Es ging also vor allem darum, aus industriellen Abfällen neuartige Lebensmittel zu gewinnen.
    Mit den Phrix-Werken kooperierte Oetker schon länger. Phrix produzierte in Wittenberge mit Hilfe von KZ-Häftlingen Zellwolle, Zellstoff und Zellfaser. Als Nebenprodukt entstand dabei Nährhefe, die Oetker und Phrix über die gemeinsame Tochterfirma Toq-Handels-GmbH vertrieben.
    In seinem Hunsa-Buch hatte Bircher von Experimenten des schottischen Arztes Robert McCarrisson berichtet, der lange Zeit im Kaschmir gelebt hatte. McCarrisson hatte zu überprüfen versucht, ob es die Ernährungsgewohnheiten waren, denen die Hunza ihre Gesundheit verdankten. Zu diesem Zweck hatte er ein Rattenvolk mit der Kost der Hunza gefüttert und ein anderes Rattenvolk mit dem, was die Menschen im Londoner Stadtteil Whitechapel aßen: Weißbrot und |188| Feinmehlspeisen, Marmelade, Fleisch, Hering, Konserven, Zuckerwaren und ausgekochtes Gemüse. Dabei hatte er herausgefunden, dass die mit Großstadtkost gefütterten Ratten krank und bissig wurden, während die anderen völlig frei von Krankheiten blieben.
    Ähnliche Experimente wie McCarrisson unternahm auch die SS – allerdings nicht mit Ratten, sondern mit Menschen. Die SS legte Wert darauf, dass die von den Experten der Hunsa-Forschungsfirma kreierten Nahrungsmittel auf ihre Unbedenklichkeit überprüft wurden, bevor eine Massenfertigung anlief. Zuständig für die Kontrolle war ein Mediziner namens Ernst-Günther Schenck, der seit 1940 das Amt des Ernährungsinspekteurs der Waffen-SS bekleidete und 1944 auch noch die Oberaufsicht über die Truppenverpflegung der Wehrmacht dazubekommen sollte. Der Medizinprofessor hatte 1942 von Himmler einen Auftrag »zur sofortigen Durchführung jeder Art von Ernährungsversuchen in den Konzentrationslagern« bekommen. Himmler war in Sorge darüber geraten, dass viele KZ-Häftlinge als Zwangsarbeiter ausfielen, weil sie an Hunger starben. »Schenck hatte die Hunsa-Präparate wohl kaum selbst gekostet, abgemagerte KZ-Häftlinge übernahmen das«, so Koch. »Sie mussten sich mit Wurstersatz mästen, ihren Hunger mit Broten aus Stroh oder Brühen voller Insekten stillen.« Zu einer Massenfertigung der »Ekelkost« sei es aber wegen des Endes des Dritten Reiches nicht gekommen.
    Um welche Art von Erzeugnissen es sich dabei vermutlich gehandelt hat, erfährt man aus dem Bericht von Ernst Martin, einem Häftling des KZ Mauthausen. Er arbeitete als Schreiber des SS-Arztes und erinnerte sich später besonders an eine so genannte »Eiweißwurst«. Martin beschrieb sie mit den Worten: »Es war diese dem Aussehen und Geruch nach eine Art von Leberstreichwurst. Ich wurde damals erst stutzig, als ich aus der Korrespondenz des SS-Standortarztes erfuhr, dass diese Wurst aus der Lenzinger Zellulose- und Papierfabrik kam. Meine Nachforschungen ergaben nun, dass diese Wurst aus den Abfällen von Abwässern aus der Zellulose-Aufschließung mit Zusatz von Leberparfümierung dort erzeugt wurde.« Zahlreiche Häftlinge seien nach dem Verzehr an Darmerkrankungen gestorben.

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14. »Durch einen Terrorangriff wurden uns genommen …«
Die Familien Oetker und Kaselowsky im Bombenkrieg
    I m Sommer 1940 fielen die ersten Bomben auf Bielefeld. Die Briten reagierten damals auf deutsche Luftangriffe gegen ihre Industrieanlagen und Wohnviertel. Anfangs, als die Zerstörungen noch gering waren, nahmen es die Bielefelder Bürger mit Humor und wünschten sich gegenseitig »eine splitterfreie Nacht«. Aber mit der Zeit erwiesen sich die nächtlichen Luftalarme als aufreibend und belastend.
    Im September 1940 und im Frühjahr 1941 fielen Bomben, die eigentlich eine Bahnlinie treffen sollten, auf die Betheler Anstalten. Sie töteten 13 kranke Kinder und eine Pflegerin. Die NSDAP übernahm die Beisetzung. Die Propaganda klagte den »Kindermord von Bethel« an. Das Ganze war eine einzige Heuchelei. Parteibonzen amüsierten sich heimlich, das Klagen klinge ja so, als ob »wir unser Herz für erblich Belastete entdeckt hätten«. In Wahrheit hatten das Regime und seine

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