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Die Oetkers - Geschaefte und Geheimnisse ber bekanntesten Wirtschaftsdynastie Deutschlands

Titel: Die Oetkers - Geschaefte und Geheimnisse ber bekanntesten Wirtschaftsdynastie Deutschlands Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ruediger Jungbluth
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tiefe Resignation ein.
    Die Stadtteile Hamm und Hammerbrook waren buchstäblich ausgelöscht worden. Später sollte man den Bombenangriff auf Hamburg in eine Reihe mit dem Atombombenabwurf auf Hiroshima stellen. Seine eigenen Leute nannten den Chef des Bomberkommandos Harris einen »Schlächter«, denn kein Luftangriff zuvor hatte je eine solche Katastrophe ausgelöst.
    |194| Die Bomben der Alliierten kosteten 1942 und 1943 mehr als Hunderttausend Deutschen das Leben, und Millionen wurden obdachlos. Aber wo es darum ging, die deutsche Rüstungsmaschine zu zerstören, erwiesen sich die Luftangriffe als ziemlich wirkungslos. Es gelang der deutschen Kriegsindustrie sogar noch bis zum Herbst 1944, ihre Produktion von Panzern, Flugzeugen und Munition zu steigern. Gleichwohl sind Militärhistoriker überzeugt, dass die alliierten Bomber die deutsche Kriegswirtschaft erheblich beeinträchtigt haben. Ohne die Luftangriffe wäre der Militärkoloss Deutschland noch stärker geworden.
    Der Wiederaufbau des Oetker-Werks in Hammerbrook ist ein Beispiel dafür, mit welcher Zähigkeit Betriebsleiter und Arbeiter nach den Angriffen wieder ans Werk gingen. 20 Frauen und zwei Männer, die in dem Betrieb gearbeitet hatten, waren umgekommen. Viele andere waren aus der Stadt geflüchtet. Die Verbliebenen hatten es in ihrem Pflichtgefühl schwer, durch die Trümmer zur Fabrik zu gelangen. Meterhohe Schuttberge versperrten ihnen den Weg. Die Behörden erklärten das Areal zum Sperrgebiet. Unzählige Leichen mussten in den betroffenen Stadtteilen geborgen werden. Für diese Arbeit zogen die Behörden auch Häftlinge aus dem nahe gelegenen Konzentrationslager Neuengamme heran.
    Zyniker bezeichneten das Viertel nahe der Oetker-Fabrik in einem Anflug von Galgenhumor als die Gegend der Warenhäuser (»da waren Häuser«). Der Betrieb selbst hatte mehrere Gebäude und alle Büros eingebüßt. Viele Maschinen waren zerstört oder schwer beschädigt, der Fuhrpark war ebenso vernichtet worden wie alle schriftlichen Unterlagen. Fabrikdirektor Vogelsang richtete in seinem Privathaus in Othmarschen ein provisorisches Kontor ein und leitete den Wiederaufbau. In vielen Betrieben wurden Lohnzuschläge an diejenigen gezahlt, die nach der Katastrophe zur Arbeit erschienen, vermutlich auch bei Oetker.
    Gerettet werden konnte ein Teil der Rohware, wenn auch der Zucker zu einer festen Masse verschmolzen war. Erstaunlicherweise war die Transformatorenanlage unbeschädigt geblieben. Dieser Umstand gab |195| den Ausschlag dafür, dass die Oetker-Leute darangingen, das Werk an derselben Stelle wiederaufzubauen. Die Moral war dahin – aber was sollte man anderes tun, als weiterzumachen? Hatten die Briten gehofft, die Bombardierten würden einen Aufstand gegen das NS-Regime machen, so hatten sie sich getäuscht.
    Das Bielefelder Stammwerk schickte in den folgenden Wochen Maschinen und Einrichtungen. Es nahm aber auch zahlreiche Hamburger Oetker-Mitarbeiter, die keinen Arbeitsplatz und häufig auch keine Wohnung mehr hatten, in Bielefeld auf. Derweil versuchte eine Kernmannschaft im Niemandsland, die Produktion von Nahrungsmitteln wieder in Gang zu bringen. Mit bemerkenswertem Erfolg, wie eine Firmenchronik festhielt: »Als dann aber am 28. Oktober, genau drei Monate nach der Zerstörung, die ersten beiden Abfüllmaschinen wieder anliefen und eine kleine Produktion ausstießen, konnten der Betriebsleiter und alle, die mit ihm gearbeitet hatten, voll Stolz auf die Leistung blicken, die innerhalb eines Vierteljahres den hoffnungslosen Trümmerhaufen zu neuem Leben erweckt hatte.«
    Als Rudolf-August Oetker während des Feuersturms im Luftschutzkeller des Hamburger Zweigwerkes saß, war seine Gattin Susanna in Bielefeld gewesen. Sie war bereits die zweite Ehefrau des damals 27-jährigen Oetker. Die erste Ehe war schnell wieder geschieden worden, und die gemeinsame Tochter Rosely lebte mit ihrer Mutter und ihrer Großmutter in Rendsburg. Seine zweite Frau hatte Oetker vermutlich in Berlin kennen gelernt. Die junge Frau, die sich Susi nennen ließ, hatte mit Mädchennamen Jantsch-Schuster geheißen. Ihr Vater war Versicherungsunternehmer.
    Am 17. März 1944 brachte Susi Oetker in Bielefeld einen Sohn zur Welt – den Stammhalter und potenziellen Nachfolger. Das Kind bekam den Namen seines Urgroßvaters: August. Es erblickte achteinhalb Monate nach der Hamburger Bombenkatastrophe das Licht der Welt. Es hatte also nicht viel gefehlt, und der kleine August Oetker hätte

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