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Die Oetkers - Geschaefte und Geheimnisse ber bekanntesten Wirtschaftsdynastie Deutschlands

Titel: Die Oetkers - Geschaefte und Geheimnisse ber bekanntesten Wirtschaftsdynastie Deutschlands Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ruediger Jungbluth
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Panikstimmung. Rund 1500 Menschen waren getötet worden. Instinktiv schienen die Hamburger aber zu wissen, dass ihnen das Schlimmste noch bevorstand. Auch in der Oetker-Fabrik bereiteten sich die männlichen Mitarbeiter auf einen zweiten Angriff vor.
    In der Nacht vom 27. auf den 28. Juli stand eine 30 Mann starke Werkluftschutztruppe bereit. Es war eine besonders warme Sommernacht nach einem ungewöhnlich heißen Tag. Noch um 18 Uhr waren 30 Grad Celsius gemessen worden. Fabrikdirektor Albert Vogelsang war im Werk, und auch der Bielefelder Juniorchef Rudolf-August Oetker. Als die Alarmsirenen um 23.40 Uhr aufheulten, stand jeder |192| Mann auf seinem Posten. Dann kehrte wieder Ruhe ein, und sie hielt fast anderthalb Stunden an.
    Kurz nach ein Uhr in der Nacht fiel die erste Bombe auf Hamburg. Sie traf das Arbeiterviertel Hammerbrook. Im Oetker-Werk begriffen die Menschen schnell, dass jede Gegenwehr zwecklos war. Bomben jeglicher Größe fielen auf die Fabrik. 700 britische Bomber waren in dieser Nacht unterwegs, und weil die Briten zur Täuschung der deutschen Flugabwehr Stanniolstreifen abgeworfen hatten, erreichten sie mit ihrer Ladung fast ausnahmslos Hamburg. Erst durchschlugen Sprengbomben die Dächer und Geschosse, dann setzten Brandbomben die Gebäude in Flammen.
    Das Speichergebäude des Oetker-Werks an der Bille wurde durch Sprengbomben zerfetzt, ein Holzbau und der Verwaltungssitz brannten bis auf die Grundmauern ab. An Löschen war nicht zu denken. Eine gewaltige Feuerwand versperrte den Zugang zum Fluss. Aber auch sonst wäre eine Brandbekämpfung unmöglich gewesen. Zu massiv war der Angriff aus der Luft. Rudolf-August Oetker und die anderen Brandwachen begriffen, dass es ums nackte Überleben ging. Alle flüchteten sich in die Luftschutzräume des Werks. Später sollten Mitarbeiter die Umsicht und den Einsatz loben, die Oetker in dieser Nacht zeigte.
    Im Keller hatten Frauen und Kinder der Werkangehörigen Schutz gesucht. Die Räume lagen unter einem Betongebäude und einem Turm, die schließlich von Brandbomben getroffen wurden. Von oben her brannten die Stockwerke aus und die schweren Maschinen brachen durch die Decken. Die Eingeschlossenen hofften inständig, dass der Beton über ihnen standhalten würde. Glücklicherweise erwiesen sich die Gebäude als stark genug, und die Keller blieben unversehrt.
    Im Luftschutzraum der Fabrik stieg die Temperatur ins Unerträgliche. Anders als in vielen anderen Kellern in der Umgebung war die Hitze aber nicht tödlich. Oetker und die anderen Insassen hatten derweil nicht die geringste Vorstellung davon, was während des Angriffs draußen vor sich ging. Wie konnten sie auch? So etwas war noch nie da gewesen.
    |193| Die vielen Brandherde vereinigten sich noch während des Angriffs zu einem einzigen großen Feuer. Ein Feuersturm entstand: Die heiße Luft schoss wie in einem gigantischen Kamin mehrere Kilometer nach oben. In den Straßen der getroffenen Stadtviertel stellte sich daraufhin ein Unterdruck ein, der alle Frischluft ansaugte und hoch in den Himmel jagte. Die Temperaturen stiegen an manchen Stellen auf 1000 Grad.
    Das Zentrum des Feuersturms lag in Hammerbrook, wo die Oetker-Fabrik stand. Die Feuergewalt wirkte verheerend. Ganze Gebäude, die von den Bomben unversehrt geblieben waren, entzündeten sich von einer Sekunde auf die nächste. Der Wind hatte eine Geschwindigkeit von 75 Meter pro Sekunde und riss Bäume aus der Erde. Menschen verbrannten und erstickten. Wer draußen war, und noch lebte, lag am Boden, um Sauerstoff zu bekommen. Viele der Toten sollten später in dieser Haltung gefunden werden.
    Fast eine Stunde lang fielen Brandbomben auf die Stadt. Sie setzten rund 16000 Wohnblocks im Osten Hamburgs in Flammen. Drei Stunden wütete der fürchterliche Feuersturm. Etwa 40000 Menschen kamen in den Flammen und im Gas ums Leben, genau sollte sich das auch später niemals feststellen lassen. Unter vielen Häusern, die abgebrannt waren, waren die aufgeheizten Keller zu Todeskammern geworden. In manchen sollte es noch zwei Wochen später glühen.
    Erst am Morgen des 29. Juli 1944 konnten Rudolf-August Oetker und die anderen Eingeschlossenen den Keller unter der Backpulverfabrik verlassen. Die Gebäude ringsum lagen in Trümmern. Aus den Ruinen ragten zerborstene Reste empor. Es war ein Bild des Grauens und der Verwüstung. In der unmittelbaren Umgebung der Fabrik waren Tausende Menschen gestorben. Bei den Überlebenden stellte sich neben dem Schrecken

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