Die Oetkers - Geschaefte und Geheimnisse ber bekanntesten Wirtschaftsdynastie Deutschlands
Reederei Hamburg Süd. Vor allem aber war er Untersturmführer der Waffen-SS gewesen, in der auch Zehntausende von KZ-Wachen gedient hatten. Bei dieser Truppe war das Erschießen von Kriegsgefangenen eher die Regel als die Ausnahme gewesen. Im September 1946 wurde die Waffen-SS von den Alliierten zur verbrecherischen Organisation erklärt.
Die Akten aus dem Entnazifizierungsverfahren Rudolf-August Oetkers sind mit rund 175 Seiten etwa siebenmal so umfangreich wie die aus dem Verfahren Karl Oetkers, der immerhin stellvertretender Betriebsführer der Nahrungsmittelfabrik gewesen war. Karl Oetker durchlief 1946 ein Entnazifizierungsverfahren. Er konnte eine Vielzahl entlastender Aussagen für sich verbuchen, unter denen vermutlich |209| eine »Bescheinigung« des Betriebsrats der Firma Oetker die größte Wirkung auf den Ausschuss hatte, denn sie war von zwei langjährigen SPD-Mitgliedern unterschrieben worden. In dem Schreiben hieß es über Karl Oetker: »Als Aktivisten haben wir ihn nie kennen gelernt. In seiner Eigenschaft als Personalchef hat er sich immer nach sachlichen Gesichtspunkten benommen und hat keinen Druck auf irgendjemanden ausgeübt, in die Partei einzutreten.« Auch bei Neueinstellungen und Beförderungen habe Karl Oetker NSDAP-Mitglieder nicht bevorzugt. Er habe sogar verhindert, dass ein Arbeitskollege durch den fanatischen Betriebsobmann bei der Gestapo angezeigt worden sei. Schließlich wurde Karl Oetker in die Kategorie V (»Entlastete«) eingestuft und als »politisch tragbar« eingestuft. Er sei »nur nominelles Mitglied« der NSDAP gewesen und politisch nicht hervorgetreten, hieß es.
Nur wenige deutsche Industrielle mussten sich vor Gericht für ihr Wirken während der NS-Zeit verantworten. Einer war der Rüstungsfabrikant Friedrich Flick. Ihn hatte der 1944 im Bombenkrieg umgekommene Richard Kaselowsky vom Freundeskreis Himmler her gut gekannt. In Flicks Nürnberger Prozess beschäftigten sich die Richter 1947 auch mit diesem Industriellen-Club. Das Gericht lastete Flick seine Mitgliedschaft in diesem Kreis aber nicht besonders an. »Wir können in den Veranstaltungen selbst nicht die finsteren Zwecke finden, deren Bestehen die Anklagebehörde behauptet hat.« Die US-Militärrichter mochten in den Zusammenkünften der Wirtschaftsgrößen »nichts Verbrecherisches oder auch nur Unmoralisches« erkennen. Ihr Fazit über den Freundeskreis Himmler: »Als Gruppe – er kann kaum als eine Organisation bezeichnet werden – hatte der Kreis keinen Anteil an der Festlegung der Politik des Dritten Reiches.«
Während des Kriegs hatten die Deutschen auf Kosten des besetzten Europas gut gelebt. Erst 1945 kam der Hunger. Was es auf Lebensmittelkarte gab, reichte nicht aus zum Überleben. Den Menschen in den Städten blieb oft nichts anderes übrig, als bei den Bauern in der Umgebung Wertsachen gegen Lebensmittel einzutauschen. Der Winter von 1946 auf 1947 war besonders hart. Kälte und Unterernährung |210| brachten schätzungsweise 20000 Deutschen den Tod. Die Alliierten halfen im Westen Deutschlands nach besten Kräften. Vor allem die Briten schafften aus ihrer Heimat tonnenweise Lebensmittel heran.
Die Firma Oetker hatte den Krieg, verglichen mit anderen Unternehmen, recht gut überstanden. Zwar waren etwa 40 Prozent der Gebäude und Anlagen durch Bomben zerstört worden. Aber schon unmittelbar nach Kriegsende konnte das Bielefelder Werk seine Produktion wieder aufnehmen. Allerdings fehlte es an den nötigen Rohstoffen zur Herstellung von Stärke, Backpulver und Puddingpulver. Um die Fabrik auszulasten, produzierte die Firma Oetker in den frühen Nachkriegsjahren auch Gewürz- und Teetabletten und Mottenpulver.
Als Rudolf-August Oetker im September 1947 die Leitung des Unternehmens übernahm, war er 31 Jahre alt. Er konnte sich allerdings auf eine ganze Garde erfahrener Führungskräfte stützen. »Damals waren die Herren in der Geschäftsleitung 15 Jahre älter als ich«, erinnerte er sich später. An der Spitze des Betriebes stand mit Karl Oetker ein Vetter seines Vaters. 1949 wurde er durch Karl Liedl, einen altgedienten Oetker-Manager, ersetzt.
In späteren Jahren sollte es der Unternehmer gerne so darstellen, als habe er nichts als Trümmer und einen guten Namen geerbt. Damit betrieb Rudolf-August Oetker allerdings Legendenbildung in eigener Sache. Eine realistische Bestandsaufnahme findet sich in einer Oetker-Firmenschrift aus dem Jahr 1966: »Die Firma Dr. Oetker, obwohl durch
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