Die Oetkers - Geschaefte und Geheimnisse ber bekanntesten Wirtschaftsdynastie Deutschlands
verwirklichen. Auch aus dem Vorhaben, wieder in das Zeitungsgeschäft einzusteigen, wurde nichts. Als die britischen Besatzungsbehörden die Lizenzen verteilten, ging der junge Kaselowsky leer aus. Sicherlich wussten die Briten, dass dessen Vater die
Westfälischen Neuesten Nachrichten
an die NSDAP abgetreten hatte.
Mit der neuen Währung rollte auch die Fresswelle an. Am Tag nach der Einführung der D-Mark sahen die erstaunten Westdeutschen in |213| den Läden Waren, die es vorher entweder gar nicht oder nur auf dem Schwarzmarkt gegeben hatte. Nun war schlagartig alles da. Die Jahre der Entbehrung diktierten das Verlangen der Menschen. Gemüse und Kartoffeln waren nicht gefragt, die Deutschen wollten Fleisch, Butter, Sahne und Alkohol – bald sogar im Übermaß. »Bei Steinke, dem Bäcker nebenan, holte ich jeden Morgen zehn Schrippen, macht, dick mit goldgelber Butter bestrichen und auf Wachstuch aneinander gereiht, anderthalb Meter Frühstück«, erinnerte sich der
Stern-
Journalist Hans Nogly später. »Ich aß von links nach rechts mit der linken Hand, in der rechten einen Liter Vollmilch.«
Das Unternehmen Oetker profitierte sehr vom Heißhunger und vom Nachholbedarf der Deutschen. Schon bald nach der Währungsreform konnte Rudolf-August Oetker in Hamburg eine eigene Stärkefabrik errichten lassen. An Geld fehlte es ihm nicht. Anders als viele andere Unternehmen war die Bielefelder Nahrungsmittelfabrik schon wenige Tage nach der Währungsreform liquide, vermutlich, weil das Unternehmen in der Zeit des Hungers und der Knappheit Waren gehortet hatte. Als die Banken sahen, wie rasant sich der Umsatz bei Oetker entwickelte, waren sie gerne bereit, weitere Kredite zu geben. Das Geschäft boomte wie nie zuvor. Im Jahr 1950 produzierte das Unternehmen über 400 Millionen Päckchen Backpulver und 350 Millionen Päckchen Puddingpulver – ein historischer Rekord. Auch später sollte das Unternehmen nie wieder die Produktionszahlen erreichen wie fünf Jahre nach dem Krieg.
In den Nachkriegsjahren fingen die Oetkers an, ihr Vermögen unter den einzelnen Familienmitgliedern aufzuteilen. Nach dem Tod der Gründerwitwe Caroline Oetker in den letzten Tagen des Zweiten Weltkriegs gehörte das Unternehmen zu jeweils 45 Prozent den Geschwistern Ursula und Rudolf-August Oetker. Zehn Prozent besaß Richard Kaselowskys Sohn.
Diesen fünf Jahre jüngeren Halbbruder hatte Rudolf-August Oetker schon vor der Währungsreform ausbezahlt. Allerdings hatte der junge Kaselowsky dann zusehen müssen, wie sein Reichsmark-Guthaben wegen der horrenden Inflation dahinschmolz. Sein Erbe hatte |214| langsam, aber sicher jeden Wert verloren. Schließlich hatte Ursula Oetker ihrem Bruder gegenüber durchgesetzt, dass Kaselowsky wieder eine Beteiligung an der Nahrungsmittelfirma erhielt. Er sollte sie so lange behalten, bis sich die Währungsverhältnisse stabilisiert hatten.
1949 wurde dem damals 28-jährigen Richard Kaselowsky aus den zahlreichen Beteiligungen des Oetker-Clans das Unternehmen E. Gundlach AG zugesprochen. Mit der Übernahme eines Aktienpakets aus dritter Hand gelang es ihm, die Mehrheit an Gundlach zu bekommen. Während Rudolf-August Oetker aus dem Kreis der Gundlach-Aktionäre ausschied, blieb seine Schwester Ursula mit einem Anteil von knapp 25 Prozent weiterhin an der Druckerei beteiligt. Ihr Ehemann Ernst Oetker zog in den Aufsichtsrat von Gundlach ein.
Der Platz an der Unternehmensspitze von Gundlach war frei geworden, denn der langjährige Vorstandsvorsitzende Friedrich Schaarschmidt war politisch belastet und hatte abtreten müssen. Als Kaselowsky junior im Juli 1949 in den Vorstand zog, um die Führung zu übernehmen, kannte er das Unternehmen kaum. Die kleine Feier zum 100-jährigen Bestehen, die 1947 stattgefunden hatte, war seine erste Begegnung mit dem traditionsreichen Druck- und Verlagshaus gewesen.
Kaselowskys Halbschwester Ursula Oetker hielt sowohl bei Gundlach als auch bei der Firma Oetker Anteile. Es hieß, dass sie auch in diesen Jahren vermittelnd zwischen den Halbbrüdern gestanden habe. Ursula Oetkers Verhältnis zu dem ein Jahr jüngeren Rudolf-August war offenkundig nicht frei von Spannungen. Ihr Bruder brauche jemanden, »der ihm ab und zu mal einen Ducker gibt«, zitierte der
Spiegel
die selbstbewusste Oetker-Schwester 1957. Zu einem Bruch zwischen den Geschwistern scheint es aber nicht gekommen zu sein. Ursula Oetker orientierte sich an dem Satz: »Dem Anderen das Anderssein verzeihen ist der
Weitere Kostenlose Bücher