Die Oetkers - Geschaefte und Geheimnisse ber bekanntesten Wirtschaftsdynastie Deutschlands
Luftangriffe in Bielefeld und Hamburg stark mitgenommen, stand dennoch schon bald wieder mit einer Maschinenkapazität bereit, die ausgereicht hätte, um ganz Deutschland mit Back- und Puddingpulver zu versorgen.«
Was für Oetker galt, traf im Prinzip auf die gesamte Industrie in Deutschland zu. Entgegen einer weit verbreiteten Annahme lag Deutschland 1945 keineswegs in Trümmern. Im Westen waren mehr als drei Viertel der Industrieanlagen bei Kriegsende intakt, im Osten sogar noch mehr. In der Nahrungsmittelindustrie ging es früher als in anderen Branchen wieder aufwärts.
Lebensmittel gab es damals nur über Bezugsscheine, aber nach einiger |211| Zeit durften die Konsumenten wählen, welche Artikel sie haben wollten. In dieser Situation zahlte es sich für das Bielefelder Unternehmen aus, dass es über Jahrzehnte kräftig in Werbung investiert hatte. »So kam unsere Marke wieder zum Zuge, denn die meisten Verbraucher verlangten unsere Fabrikate«, heißt es in einer Unternehmensgeschichte.
Wie die Nahrungsmittelfabriken in Bielefeld und Hamburg kam auch die Druckerei E. Gundlach nach dem Krieg schnell wieder hoch. Zwar war das Werk durch Bomben zu drei Vierteln zerstört worden, doch das Verbliebene reichte, um schon bald wieder die Produktion aufzunehmen. Aus den Teilen von 40 zerstörten Druckerpressen hatten die Mitarbeiter vier funktionierende Maschinen zusammengesetzt. So konnten bei Gundlach schon bald wieder Lebensmittelmarken gedruckt werden – ganz so wie während der NS-Zeit.
Doch die Zeit blieb nicht stehen. Im Notjahr 1947 jährte sich bei Gundlach zum 100. Mal die Gründung des Unternehmens. Keiner der großen Festsäle Bielefelds hatte den Krieg unbeschädigt überstanden, daher musste das Jubiläum in einer Werkhalle gefeiert werden. Am Nachmittag gab es für die Gundlach-Belegschaft in der Kantine der Firma Oetker Butterkuchen und – was für besondere Freude sorgte – Bohnenkaffee. Bei der Tombola konnten die 520 Mitarbeiter einfache Gebrauchsgegenstände wie Kochtöpfe, Taschenmesser und Schnürsenkel gewinnen.
Zu kaufen gab es zu dieser Zeit in den Geschäften Bielefelds kaum etwas. Die Industrie und auch der Handel horteten einen Großteil der produzierten Waren, denn es war klar, dass es eine Währungsreform geben würde. Das NS-Regime hatte den Krieg überwiegend mit Krediten finanziert, für die die Reichsbank Geld gedruckt hatte. Die Folge war ein gewaltiger Überhang des sich im Umlauf befindlichen Geldes über die Güterproduktion. 1945 gab es Bargeld und Bankguthaben von 300 Milliarden Reichsmark, aber Waren und Dienstleistungen im Wert von nur 50 Milliarden Mark. Das Geld war fast wertlos geworden. Es blieb nichts anderes übrig, als es aus dem Verkehr zu ziehen.
|212| Die Währungsreform vom 20. Juni 1948 erschien vielen Zeitgenossen als ein gleichmacherischer Akt. Tatsächlich wurden aber Sachwertbesitzer und Unternehmer begünstigt, während alle anderen weitgehend enteignet wurden. Guthaben und Schulden wurden so umgestellt, dass aus 100 Reichsmark im Endeffekt 6,50 D-Mark wurden. Für Grundstücke, Fabriken und Warenlager gab es dagegen keinen Abwertungssatz. Im Ergebnis bezahlten also die Kleinsparer den Krieg, während die Inhaber produktiver Besitztümer weitgehend unbehelligt blieben. Die Herren der Sachwerte hatten damit einen Vermögensvorsprung, den ihnen niemand mehr nehmen konnte, auch der später beschlossene »Lastenausgleich« änderte an den Verhältnissen nichts mehr. Anders als die große Mehrheit der Deutschen kamen Industriellenfamilien wie die Oetkers bei der Währungsreform nahezu ungeschoren davon.
Der Wirtschaft in den Westzonen brachte das Geld neuen Schub. Am Jahresende 1948 produzierte die westdeutsche Industrie schon wieder etwa 80 Prozent dessen, was sie im Boomjahr 1936 erzeugt hatte. Die Oetkers profitierten auch ganz unmittelbar von der Einführung des neuen Geldes. Ein Teil der Scheine wurde in der Bielefelder Druckerei E. Gundlach AG hergestellt, deren Aktien damals mehrheitlich im Besitz der Geschwister Ursula und Rudolf-August Oetker und ihres Halbbruders Richard Kaselowsky junior lagen. Bald druckte Gundlach auch die Schachteln für die US-Zigaretten Lucky Strike, Camel und Golddollar.
Der Plan, über das angestammte Geschäft mit Fachblättern wie der
Deutschen Nähmaschinen-Zeitung
hinauszukommen und beispielsweise auch Sachbücher und Belletristik sowie Illustrierte für ein breites Publikum herauszugeben, ließ sich hingegen nicht
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