Die Oetkers - Geschaefte und Geheimnisse ber bekanntesten Wirtschaftsdynastie Deutschlands
Anfang aller Weisheit.«
Ursula Oetker war schon in jungen Jahren zu einer eigenwilligen Persönlichkeit geworden. Nach dem Wunsch ihrer Eltern hatte sie in den dreißiger Jahren einen Fürsten heiraten sollen. Aber sie hatte sich für ein anderes Leben entschieden. Sie liebte die Natur, Tiere und das |215| Leben auf dem Lande. So hatte sie einen Landwirtssohn geheiratet. Dieser Mann hieß Oetker wie sie selbst. Tatsächlich handelte es sich bei Ernst Oetker um einen entfernten Verwandten, einen Vetter vierten Grades. Er war 1907 in dem Ort Wiedensahl bei Stadthagen geboren worden, wo vermutlich die Wurzeln der gesamten Oetker-Familie liegen.
Seit 1939 bewirtschaftete Ursula Oetker mit ihrem Mann einen gewaltigen Besitz, das Rittergut Hornoldendorf in der Nähe von Detmold. Im Laufe des Kriegs war ihr Mann Ernst Oetker, der nach dem siegreichen Überfall auf Polen der NSDAP beigetreten war, zur Wehrmacht eingezogen worden. Bis zum Ende des Kriegs hatte Ursula Oetker vier Kinder zu Welt gebracht: Arend 1939, Renate 1940, Ernst August 1941 und Regine 1944. Mit Roland Oetker kam 1949 noch ein Nachzügler auf die Welt.
Rudolf-August Oetkers Familie wuchs in den frühen Nachkriegsjahren heran. Zu dem 1944 geborenen Stammhalter August kam 1947 die Tochter Bergit dazu, und im Jahr darauf brachte Susanna einen Sohn namens Christian zur Welt. 1951 wurde Richard Oetker geboren. Bald darauf zerbrach die Ehe. Susi Oetker heiratete 1952 den Prinzen Karl-Walrad zu Salm-Horstmar, der im Krieg ein Kavallerieregiment kommandiert hatte und sich in den sechziger Jahren zeitweilig der Nationaldemokratischen Partei Deutschlands (NPD) anschloss. Rudolf-August Oetker blieb nach seiner Scheidung zunächst solo. Die vier Kinder aus der zweiten Ehe wuchsen in seinem Hause und bei der Mutter in Düsseldorf auf.
In der Industriellenfamilie Oetker galt das Erbhofprinzip. Danach sollte das Stammunternehmen einem einzigen Erben zufallen. Rudolf-August Oetker hatte also die Möglichkeit, seine Schwester auszuzahlen. Zunächst machte er davon allerdings nur teilweise Gebrauch. 1954 besaß Ursula Oetker immerhin noch 20 Prozent an der Dr. August Oetker Nährmittelfabrik GmbH, die zu dieser Zeit an der Spitze der Firmengruppe stand. Noch bis 1961 sollte Ursula Oetker ihre Beteiligung halten.
Eine Vielzahl von Unternehmensbeteiligungen hatten Caroline |216| Oetker und Richard Kaselowsky ihren Erben hinterlassen. Die Anteile an der Reederei Deutsche Levante-Linie wurden 1947 auf die Nachfolger übertragen. Ursula Oetker bekam dabei mit 225000 Reichsmark den größten Teil, ihr Bruder Rudolf-August erhielt 125000 Reichsmark. Richard Kaselowsky junior bekam einen Anteil von 25000 Reichsmark, aber schon drei Jahre darauf trat er ihn an seine Halbschwester Ursula ab. 1956 übernahmen die Geschwister Oetker dann die Anteile aller übrigen Kommanditisten, so dass die Deutsche Levante-Linie komplett zum Familienbesitz wurde. Später überließ Ursula Oetker ihrem Bruder Rudolf-August auch dieses Feld allein.
In der Erbmasse befanden sich auch einige Immobilien. Darunter waren mehrere Ferienwohnsitze, die Richard Kaselowsky angeschafft hatte, aber auch das Brenner’s Park-Hotel in Baden-Baden, das an den Haupterben Rudolf-August Oetker fiel. Das heruntergekommene Hotel sei damals als Last und nicht als ein Vermögen angesehen worden, erklärte Oetker Jahrzehnte später die merkwürdig anmutende Aufteilung: »Nach dem Krieg bekamen meine Geschwister ein Haus und waren damit zufrieden. Für mich blieb das ›Brenner’s‹, in dem damals der französische Oberkommandierende, General Koenig, residierte, und das sich innen in einem katastrophalen Zustand befand. So wurde denn die Parole ausgegeben, ich hätte sowieso am meisten bekommen und müsse deshalb auch das Hotel nehmen.«
Er sollte es nicht bereuen. Im Oktober 1949 überließen die französischen Besatzungsbehörden das Grandhotel seinem Eigentümer. Während der Nutzung hatten sie Quartiervergütungen gezahlt und vor ihrem Auszug leisteten sie auch noch Entschädigungen. Als wenige Monate später in Baden-Baden wieder eine Spielbank eröffnet wurde und die ersten Kurgäste kamen, war das Brenner’s das einzige große Hotel am Ort, das Gäste beherbergen konnte.
Die Stimmung im Land hatte sich nach dem Krieg grundlegend gewandelt, was Rudolf-August Oetker sehr entgegenkam. Von »Restauration« konnte in Wahrheit keine Rede sein, jedenfalls, was das soziale Klima betraf. Von der
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