Die Oetkers - Geschaefte und Geheimnisse ber bekanntesten Wirtschaftsdynastie Deutschlands
Kontrast zur herkömmlichen Hausfrau beschrieben |219| . »Es ist die nette, adrette junge Hausfrau, die immer kurz vor Ladenschluss zum Kaufmann kommt und alles das einkauft, was sie für ihren kleinen Haushalt braucht.« Die schlaue Frau wisse genau, »wie man sich die Arbeit verkürzen und die Freizeit verlängern kann«. Eine Pflicht der »Frau Renate« blieb es allerdings, ihre Familie zu bekochen und zu verwöhnen. »Jeden Sonntag einen Kuchen – selbst gebacken mit Backin«, so lautete die Vorgabe in einer Anzeige dieser Zeit. Doch diese Mühe sollte nicht umsonst sein. »Zufriedene Mienen danken es Ihnen!«, versprach ein populärer Oetker-Reim.
Wenn die von Bielefeld ausgesandten Vorführtrupps durchs Land fuhren, um die Frauen im Kochen zu schulen, gab es für die Kinder ein Kasperletheater. Für kleine Mädchen brachte das Unternehmen ein »Oetker-Kochbuch für die Puppenstube« heraus. Oetker ließ jetzt auch Werbefilme produzieren, um sie in Kinos, Schulen und bei Kursen für angehende Hausfrauen vorzuführen. »Macht es, wie Renate tut – Macht es mit Dr. Oetker gut!«, lautete die Empfehlung aus Bielefeld. In der Vorweihnachtszeit 1956 lief schließlich der erste Oetker-Spot im Bayerischen Fernsehen.
Anfang der sechziger Jahre kreierte das Oetker-Labor einen neuen Grundstoff für Pudding, bald darauf kam »Aranca« auf den Markt. Die Nachspeise enthielt Gelatine, wurde mit Wasser kalt angerührt und schnell fest. Es dauerte allerdings einige Zeit, bis eine größere Zahl von Verbrauchern zu dem neuartigen Produkt griff. Um den Absatz anzukurbeln, heuerten die Oetker-Werber den Showmaster Vico Torriani an, der in TV-Spots fortan »Wünsch-Dir-Puddings« präsentierte.
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16. »Sein Schiff niemals nur an einen Anker hängen«
Rudolf-August Oetker wird Reeder
M it dem Zweiten Weltkrieg hatte Deutschland seine komplette Flotte an Handelsschiffen verloren. Von den Schiffen, die die Reedereien bei Kriegsbeginn besessen hatten, war 1945 noch etwa ein Drittel intakt gewesen. Im Potsdamer Abkommen aber waren Handelsschiffe als potenzielle Kriegsmittel klassifiziert worden. Sie hatten daher an die Siegermächte abgeliefert werden müssen und waren in den Besitz Frankreichs, Großbritanniens und der Sowjetunion übergegangen. Die deutschen Werften waren zum großen Teil demontiert worden.
Es schien in dieser Zeit so, als sei die traditionsreiche Hamburg-Südamerikanische Dampfschifffahrts-Gesellschaft am Ende ihrer Geschichte angekommen. Durch den Krieg und seine Folgen hatte die Reederei ein Vermögen von 90 Millionen Reichsmark verloren. Aus eigener Kraft würde sie nicht mehr auf die Beine kommen.
Doch diese Situation war nur auf den ersten Blick aussichtslos, denn sie barg erhebliche Chancen für Investoren. So war es für Rudolf-August Oetker nach dem Krieg ein Leichtes, zu seinem ererbten Besitz an der Reederei weitere Aktien der Hamburg Süd zusammenzukaufen. Vermutlich hatten er und sein Stiefvater Kaselowsky schon während des Kriegs den Plan verfolgt, ihren Einfluss bei der Reederei auszuweiten. Dies legt jedenfalls ein Satz aus der 1941 erschienenen Firmenchronik nahe, in der über ein kleines Motorschiff berichtet wurde, das das Hamburger Oetker-Zweigwerk angeschafft hatte: »So hat sich zu den mannigfachen Beförderungsmitteln der Firma Dr. August Oetker ein weiteres gesellt, das vielleicht einmal als ›Vorläufer |221| einer achtunggebietenden Hochseeflotte‹ bezeichnet wird. Wer mag das alles wissen!«
Es gelang Rudolf-August Oetker nach dem Krieg aber zunächst nicht, die Mehrheit des Kapitals an der Hamburg Süd in seine Hände zu bekommen. Sein Anteil stieg bis auf 49 Prozent. Ein ähnlich großes Aktienpaket lag im Besitz der Hamburger Vereinsbank. Die beiden Großaktionäre verbündeten sich. Im März 1951 ließen Oetker und die Vereinsbank die Reederei in eine Kommanditgesellschaft umwandeln. Damit wurde aus der Hamburg Süd eine Personengesellschaft, für die die altgedienten Vorstandsherren John Eggert und Herbert Amsinck fortan persönlich hafteten. Überdies konnten die Gesellschafter ihre Anteile anders als bei einer Aktiengesellschaft nur mit Zustimmung der anderen Miteigentümer verkaufen. Eine feindliche Übernahme konnte es also nicht geben.
Wer sein Geld in den Jahren 1950 bis 1954 in Schiffe investierte, profitierte von enormen Steuervergünstigungen. In das Einkommensteuergesetz war der Paragraf 7d eingeführt worden, dem zufolge jeder
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