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Die Oetkers - Geschaefte und Geheimnisse ber bekanntesten Wirtschaftsdynastie Deutschlands

Titel: Die Oetkers - Geschaefte und Geheimnisse ber bekanntesten Wirtschaftsdynastie Deutschlands Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ruediger Jungbluth
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der Hamburg Süd vorbeikam, wurden sowohl auf dem Frachter als auch vor dem Oetker-Anwesen die Fahnen der Reederei gedippt. Nach Stapelläufen neuer Schiffe empfing der Reeder seine Gäste zu großen Festen in der »Bost«. Bald lud Oetker die Hamburger Gesellschaft auch zu einem alljährlichen Derby-Frühstück ein, »wobei sich Oetker in den ersten Jahren noch daran hielt, den obligaten Hummer zu servieren«, wie Ruth Pinnau bemerkte. »Aber bald setzte sich gegen die kulinarische Tradition sein Spargeist durch, und man begnügte sich mit Bratkartoffeln und Spiegelei.«
    Mitte der fünfziger Jahre stand im Management der Hamburg Süd der Generationenwechsel an. Der hochbetagte John Eggert und Herbert Amsinck, dessen Großonkel einst zu den Gründern der Reederei |226| gehört hatte, traten ab. Rudolf-August Oetker ließ sich bei dieser Gelegenheit als persönlich haftender Gesellschafter in das Handelsregister eintragen. Gleichzeitig übernahm das Bielefelder Nahrungsmittelunternehmen die Reedereianteile aus dem Besitz der Vereinsbank und zweier weiterer Firmen. Auf diese Weise wurde die Familie Oetker alleinige Besitzerin der traditionsreichen Schifffahrtsgesellschaft.
    An die Spitze der Reederei setzte Oetker nun Rolf Kersten, einen jungen Mann, mit dem er schon seine Ausbildung bei der Vereinsbank gemacht hatte. Kersten hatte später Jura studiert und war promoviert worden. Oetker hatte den gut aussehenden Assessor, den Freunde »Rolfi« nannten, in den fünfziger Jahren zufällig in einem Schuhgeschäft am Hamburger Jungfernstieg wieder getroffen und ihn gefragt, ob er nicht bei ihm anfangen wolle.
    Kersten hatte nun einen ehrgeizigen Chef. Mit 40 Hochseeschiffen und einer Gesamttonnage von 370000 Tonnen war Rudolf-August Oetker innerhalb weniger Jahre zum größten deutschen Privatreeder aufgestiegen. Der Unternehmer dirigierte die Flotte von vier verschiedenen Einzelgesellschaften: Neben der Hamburg Süd und der Reederei Rudolf A. Oetker KG waren das die Deutsche Levante-Linie und die Reeder-Union AG Kiel. Keine andere deutsche Reederei hatte in ihrer Flotte ein größeres Schiff aufzuweisen als Rudolf-August Oetker mit seinem 33000-Tonnen-Tanker, dem er den Namen seiner Großmutter Caroline Oetker gegeben hatte.
    Der
Spiegel
kommentierte den Aufstieg des Bielefelder Unternehmers 1957 in einer Titelgeschichte durchaus anerkennend: »Oetker hat das Verschieben von Gewinnen über die Drehscheibe des Schiffbaus mit einer in Westdeutschland sonst unerreichten Virtuosität und Kühnheit praktiziert. Wäre das Geld in den Bilanzen der Nährmittelfabriken stehen geblieben, dann hätte das Finanzamt es größtenteils kassiert. In den Reedereibüchern aber sorgten die ständigen Millionenabschreibungen nach Paragraf 7 dafür, dass buchmäßig nur Verluste entstanden und das Finanzamt mithin keine Gewinnsummen aufspüren konnte, die hätten versteuert werden müssen.« Die Redakteure |227| des Nachrichtenmagazins schätzten, dass die Handelsflotte des Rudolf-August Oetker einem Vermögen von mehr als 400 Millionen Mark entsprach.
    In späteren Jahren machte auch Oetker selbst keinen Hehl daraus, dass er seinen Aufstieg zum Großreeder nicht zuletzt dem deutschen Steuerzahler verdankte: »Damals haben wir uns entschlossen, der Hamburg Süd mit Hilfe der staatlichen Finanzierungshilfen einen Neuanfang zu ermöglichen«, schrieb er 1996 rückblickend. »Dieses war eine glückliche Entscheidung.«
    Oetkers Schiffe nahmen in den fünfziger Jahren auch den Linienverkehr zwischen den USA und Brasilien wieder auf, den die Hamburg Süd schon zu Beginn des Jahrhunderts betrieben hatte. Die wiederbelebte Verbindung erhielt einen neuen, einprägsameren Namen: Columbus-Line. Überdies transportierten Oetkers Frachtschiffe von der Westküste der USA Holz und Stückgut nach Australien und Neuseeland und ab 1963 auch von der Ostküste aus. Für VW brachten Oetkers Schiffe Autos nach Nordamerika. Die Kühlschiffe der Hamburg Süd waren zu dieser Zeit an dem Namensbestandteil Polar zu erkennen und hießen Polar Brasil oder Polar Uruguay. Sie waren bereits so groß, dass ein Schiff ausreichte, um pro Fahrt den Jahresverbrauch einer mittleren Großstadt an Bananen heranzuschaffen. Eine Klasse sechs moderner Frachtschiffe für den Schnelldienst nach Südamerika war so elegant, dass sie auf ihre Liebhaber wie »weiße Schwäne des Südatlantiks« wirkten.
    Das Design all dieser Schiffe stammte von Cäsar Pinnau. Der Architekt vereinte die

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