Die Oetkers - Geschaefte und Geheimnisse ber bekanntesten Wirtschaftsdynastie Deutschlands
Jahren auf der »Ravensberg« unterwegs nach Südamerika war, setzte der Kapitän in der Nähe von Las Palmas eine Seenotübung an. Auf den ausdrücklichen Wunsch des Reeders, der so etwas noch nie erlebt hatte, wurde wie im Ernstfall sogar ein Rettungsboot zu Wasser gelassen. An Bord waren Oetker selbst und einige seiner Mitarbeiter aus Bielefeld.
Bei dieser Übung musste der Unternehmer allerdings die unangenehme Erfahrung machen, wie schnell so ein kleines Boot abtreiben kann. So sehr sich die Ausgesetzten auch in die Riemen legten, der Abstand zur »Ravensberg« wurde größer und größer. Niemand hatte außerdem bedacht, wie schnell es in diesen Breiten dunkel wurde. So kam es, dass die Besatzung der »Ravensberg« mit Scheinwerfern nach dem Schiffseigner suchen musste. Als sie ihn gefunden hatten, war das Abenteuer noch nicht zu Ende. Eine weitere halbe Stunde saßen Oetker und seine Leidensgenossen in dem schaukelnden Rettungsboot, bis es |224| ihnen gelang, das Boot mit Hilfe einer Welle in die Aufhangvorrichtung zu bugsieren und sich an Bord hieven zu lassen.
Oetkers Begeisterung für die Seefahrt tat das keinen Abbruch. Er ließ sich keinen Stapellauf entgehen. Trotzdem war der Bielefelder Unternehmer in der Hamburger Gesellschaft anfangs ein Außenseiter und wurde bespöttelt. Ein Konkurrent witzelte, Oetker würde seine Schiffe am besten mit Backpulver taufen. In diesem Umfeld hatte er es nicht leicht, denn Oetker war überdies ein Mann, der sich mit Fremdsprachen schwer tat und manchmal auch mit der deutschen Grammatik. »Auf dem gesellschaftlichen Parkett Hamburgs wirkte Oetker damals noch ziemlich unsicher«, hat Ruth Pinnau beobachtet. »Wegen seiner Sparsamkeit und seines teilweise recht ungehobelten Benehmens eckte er häufig an, und mit der Einhaltung der Lebensmaximen seines Großvaters machte er sich und anderen das Leben schwer.«
Um sich in der Gesellschaft der Hansestadt zu etablieren, legte sich Rudolf-August Oetker 1953 eine überaus repräsentative Immobilie an der Elbe zu: das Anwesen »In de Bost«. Auf diese traditionsreiche und prestigeträchtige Villa, die ein Hamburger Kaufmann 1836 hatte erbauen lassen und die später dem Zeremonienmeister der Kaiser Wilhelm I. und II. gehört hatte, war Oetker durch den Architekten Pinnau aufmerksam gemacht worden. Der Preis von 125000 Mark war dem Reeder erst zu hoch, aber dann griff er doch zu. Oetker ließ das klassizistische Haus durch Pinnau von Grund auf renovieren. Der Architekt entfernte die tief heruntergezogenen Decken und legte zugemauerte Stuckaturen wieder frei. Bald erstrahlte das vornehme Landhaus auf seiner Anhöhe wieder in der ursprünglichen architektonischen Schönheit. Alle zur Elbe weisenden Fenster waren als Türen herabgezogen und im Obergeschoss zudem mit kleinen Balkonen versehen worden. Ein großer Rasenteppich und alte Bäume umgaben das Haus, an der Westseite lag ein Rosarium.
Im Inneren zog sich die große Halle vom Erdgeschoss bis zum Dach hinauf und die Abendbeleuchtung wurde in der Kuppel mit verdecktem Licht erzeugt. Der Reeder stattete das Anwesen überdies stilgerecht mit antiken Möbeln aus und ließ Bilder von Spitzweg, Waldmüller |225| , Boucher, Renoir und Morland aufhängen. Damit verlieh der aufstrebende Unternehmenserbe aus Bielefeld dem Haus eine Pracht, die es vorher wohl niemals besessen hatte.
Rudolf-August Oetker wurde nach dem Krieg zu einem Kunstsammler, wie es schon seine Eltern und Großeltern gewesen waren. Zu seinen besten Freunden zählte der Bielefelder Kunsthändler und Antiquar Paul Herzogenrath, der der Familie Oetker seit langem verbunden war. Für Rudolf-August wurde er zu einem väterlichen Freund und Mentor. Herzogenrath beriet ihn nicht nur in künstlerischen Fragen, sondern auch bei Personalentscheidungen und in privaten Angelegenheiten. Die ihn kannten, empfanden ihn als einen besonders liebenswürdigen und gebildeten Herrn.
Herzogenrath brachte Oetker auch dazu, zur Erweiterung der familiären Sammlung eine Kunsthistorikerin einzustellen. Und er war es auch, der die Verbindung zu dem Architekten Pinnau hergestellt hatte. Zunächst hatte sich der sparsame Oetker noch dagegen gesträubt, einen freien Architekten zu verpflichten. Wozu gab es im Unternehmen eine Bauabteilung? Aber Herzogenrath hatte ihm klar machen können, dass ein renommierter Baumeister wie Pinnau sowohl dem Image des Konzerns als auch dem Ansehen des Chefs gut bekommen würde.
Wenn an der »Bost« ein Schiff
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