Die Oetkers - Geschaefte und Geheimnisse ber bekanntesten Wirtschaftsdynastie Deutschlands
Steuerzahler, der einer deutschen Reederei ein Darlehen zum Bau oder Erwerb von Handelsschiffen gab, die Kreditsumme auf einen Schlag von der Steuer absetzen konnte. Auf diese Weise konnten Großverdiener ihre Gewinne komfortabel in Schiffsanlagen unterbringen, ohne dass das Finanzamt einen Pfennig davon abbekam. Zwar mussten die Rückflüsse aus diesen Darlehen bei der Tilgung in späteren Jahren als Einnahmen versteuert werden, aber das nahm dem Steuersparmodell wenig von seinem Reiz.
Eine Zeit lang verwöhnte der Fiskus die Schiffsinvestoren sogar noch stärker. Die Steuergesetze boten Anlegern die Möglichkeit, die Schiffsgelder nicht als Darlehen zu geben, sondern in Form eines so genannten verlorenen Zuschusses. Das Geld wurde von den Reedereien nicht zurückgezahlt und musste daher auch von seinem ursprünglichen Besitzer nicht versteuert werden. Eine solche Konstruktion machte natürlich nur für die ausgesprochen exklusive Gruppe von Steuerzahlern Sinn, die Reedereien besaßen. Denn für sie war der Zuschuss trotz seines Namens nicht verloren.
|222| Die Gesetze schienen geradezu zugeschnitten auf einen Mann wie Rudolf-August Oetker. Sie erlaubten ihm, die hohen Gewinne aus der Herstellung von Nahrungsmitteln ungeteilt für sich zu behalten, indem er sie in Handelsschiffe anlegte. Da es seine eigenen Schiffe waren, konnte er auf diese Weise ein beachtliches Vermögen auf Kosten anderer Steuerzahler bilden. In der Rolle als Reeder profitierte Oetker dann ein zweites Mal von staatlichen Subventionen.
Schon im Januar 1950 bestellte die Hamburg Süd auf Oetkers Betreiben erstmals Frachtschiffe. Den Auftrag zum Bau von vier Motorschiffen erhielten damals die Howaldtswerke in Hamburg. Das erste Schiff war nach 15 Monaten fertig gestellt und erhielt den Namen der Ehefrau Amsincks: »Santa Ursula«. Die Jungfernfahrt führte das Schiff von Hamburg über die Kanarischen Inseln nach dem La Plata. In Buenos Aires lud der Bürgermeister den Kapitän und Amsinck zu einem Festessen ein.
Die »Santa Ursula« war ein kleines Frachtschiff, gerade so groß und schnell, wie es den deutschen Reedereien im Petersberger Abkommen von 1949 erlaubt worden war. In zwölf Doppelkabinen fanden überdies 24 Passagiere Platz. Die Kabinen und Gesellschaftsräume hatten Stil. Das Schiff mit seiner Einrichtung hatte Cäsar Pinnau entworfen, ein außergewöhnlich talentierter Architekt, der schon beim Bau von Hitlers neuer Reichskanzlei in Berlin mit Hand angelegt hatte. Oetker war mit Pinnaus Arbeit hoch zufrieden. Der Architekt sollte auch bei allen weiteren Neubauten die Gestaltung übernehmen. Anfang 1952 hatte die Hamburg Süd vier Schiffe der so genannten Santa-Klasse in Betrieb, zu denen bald darauf zwei weitere kommen sollten.
Rudolf-August Oetker verfolgte mit der Reederei große Pläne. Im Aufsichtsrat des Unternehmens drängte der junge Großaktionär darauf, so schnell wie möglich wieder eine große Flotte aufzubauen. Die Herren von der Vereinsbank waren skeptisch. Sie sahen wenig Chancen, in den kommenden Jahren größere Frachtaufträge für die Strecke zwischen Hamburg und Südamerika zu bekommen, und fürchteten, die Schiffe würden nicht ausgelastet sein. Oetker reiste selbst nach Südamerika und erkundete bei Kaufleuten und Exportfirmen die Geschäftschancen |223| einer deutschen Reederei. Seine private Marktforschung machte ihn noch optimistischer.
Zurück in Hamburg gelang es Oetker dennoch nicht, die Banker im Aufsichtsrat zu großen Investitionen zu bewegen. »Schiffe bauen, besonders Tanker, das war die Chance«, erinnerte er sich Jahre später an die damaligen Diskussionen. »Aber das war den Herren nicht beizubringen.« Vielleicht hing die Zurückhaltung der Bankdirektoren auch damit zusammen, dass sie sich nicht von ihrem ehemaligen Lehrling die Welt erklären lassen wollten.
Als der Großaktionär Oetker merkte, dass er mit seinen Vorstellungen bei der Hamburg Süd nicht durchdrang, gründete er seine eigene Reederei. Die Rudolf A. Oetker KG, kurz RAO genannt, wurde im November 1952 ins Handelsregister eingetragen. Diese Reederei operierte auf dem Gebiet der so genannten Trampschifffahrt, bei der Schiffe nicht nach Fahrplan verkehren, sondern nach Bedarf. Kühlschiffe transportierten Bananen, Fleisch und Fisch. In Tankern kam Melasse oder Rohöl.
Oetker wurde zum Reeder aus Leidenschaft. Diese Welt gefiel ihm, er ging auch häufiger auf einem seiner Schiffe mit auf große Fahrt. Als er in den fünfziger
Weitere Kostenlose Bücher