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Die Oger - [Roman]

Die Oger - [Roman]

Titel: Die Oger - [Roman] Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bastei Lübbe
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Frösteln zu überwinden. Tirgel könnte sich ruhig ein wenig beeilen. So schwer konnte es doch nicht sein, herauszufinden, ob der Priester wieder im Tempel war. Aus dem Augenwinkel bemerkte er, dass Tarbur ihn mit seinen blinden Augen verfolgte. Jede seiner Bewegungen wurde von dem Oger registriert. Das war ja auch nicht allzu schwer. Hagrim begann den Raum zu umrunden, wobei er sein Tempo ständig veränderte.
    Tarburs blinde Augen folgten ihm dennoch. Mit einem weiten, fast ansatzlosen Sprung stellte er den Oger erneut auf eine Prüfung. Auch diese bestand er mit Bravour. Hagrim zog sein Rapier. Tarburs Oberkörper schnellte hervor, und seine Bewegungen stellten sich auf die gezückte Waffe ein.
    »Ich bin beeindruckt«, gab Hagrim zu. »Du hast schnell gelernt, dein fehlendes Augenlicht durch andere Sinne zu ersetzten.«
    Tarbur lehnte sich wieder zurück an die Wand. »Haben geübt schon vorher. Für Gegner töten im Dunkeln.«
    »Da habe ich noch etwas für dich, eine Art Abschlusstest. Warte einen Moment, ich bin gleich so weit.«
    Hagrim tastete sich Schritt für Schritt durch den Raum. Er achtete auf jedes Steinchen, das seine Stellung hätte verraten können. Tarbur konzentrierte sich zwar, konnte sein Gegenüber aber nicht mehr ausmachen. Hagrim stand nun seitlich von Tarbur an der Wand und lächelte verschmitzt. Ein dumpfes Geräusch entwich seinem Hinterteil.
    Tarbur zuckte zusammen, wusste aber durch den Laut sofort, wo Hagrim stand. Der wiederum sah den Oger nach wie vor mit breitem Lächeln an.
    »Siehst du, damit hast du gelernt, dass es dir ohne Augen nicht gegeben ist, eine Situation im Voraus zu erkennen. Du kannst nur reagieren, nicht selbst zuerst handeln.«
    Urplötzlich rollte Tarbur sich seitlich ab und ergriff Hagrims Bein. Er zerrte ihn über seinen Unterkörper und ließ ebenfalls einen Darmwind entweichen. Eine überwältigende Übelkeit ergriff von Hagrim Besitz. Tränen stiegen ihm in die Augen. Endlich stieß Tarbur ihn von sich.
    »Du auch gelernt, greife niemals Feind an, der größere Waffe hat.«
    Hagrim schüttelte sich, als ob er so den Gestank aus seinen Sachen loswerden könnte. Der Ekel stand ihm ins Gesicht geschrieben. »Was, zum Geier ...«
    Mit einer Geste schnitt Tarbur ihm das Wort ab. Jetzt hörte Hagrim es auch. Mindestens drei Personen näherten sich Mit lauten Schritten.
    Kurze Zeit später stolperte Tirgel außer Atem in die Kammer. Er hatte zwei weitere Bettler im Schlepptau. Beide standen im gebührenden Abstand hinter ihm und wagten nur einen vorsichtigen Blick um die Ecke.
    Tirgel rümpfte die Nase.
    »Bei den Göttern, man kann dieses Monster von Priester immer noch riechen.«
    Es dauerte einige Zeit, bis Tarbur und Hagrim aufhörten zu lachen. Tirgel stand unterdessen nur da und war sich nicht ganz sicher, ob sie über ihn lachten oder über sich selbst. Er hielt den alten Lumpen, in den er die abgetrennte Hand des Nesselschreckens eingewickelt hatte, fest umklammert.
    »Hört mir zu«, rief er, um Hagrim und Tarbur wieder zur Vernunft zu bringen. »Das Monster ist wieder oben in seinem Tempel. Er hat ganz normal die Messe abgehalten. Von seiner Verletzung war nichts zu sehen, er hatte seinen Ornat übergeworfen. Ihm war nichts anzumerken. Aber wisst ihr, was dann passiert ist?«
    Er wartete einen Augenblick ab, merkte aber dann, dass seine Frage eher rhetorischen Charakter hatte und keiner Antwort bedurfte. »Er hat den Mommsen-Drillingen das Seelengespräch abgenommen.«
    Hagrim traf es wie eine schallende Ohrfeige.
    »Die Drillinge«, murmelte er. Er kannte die Familie Mommsen. Sie bestand aus den Drillingen und deren alten, bettlägerigen Vater. Der Rest war tot oder im Kerker der Hauptstadt für fünf oder sechs lebenslängliche Strafen eingesperrt. Die Drillinge waren ganz sicher nicht zum Seelengespräch bei Gidwick, da die Länge der Beichte ein Lebensalter leicht überstiegen hätte. Die Drillinge, das waren Gortek, Grinslak und Garalt, die berüchtigtsten Totschläger in ganz Osberg. Sie nahmen Aufträge auch für ein geringes Blutgeld an, da sie ganz und gar in ihrer Arbeit aufgingen. Sie bemühten sich nicht gerade, ihre Taten zu verheimlichen oder zu vertuschen, nein, es waren blutige Massaker. Die Drillinge hatten eine Schar von Briganten um sich gesammelt, die sich gegenseitig unterstützten und Alibis gaben, wobei die einfältige Vorgehensweise der Stadtwachen es ihnen nur allzu leicht machte. Jemand, der diese Leute anheuerte, wollte nicht

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