Die Oger - [Roman]
ihnen. Der andere, haarlose Schädel schien zu schlafen und kippte dabei leicht vornüber.
»Entschuldigt meine fehlende Gastfreundschaft. Mein Name ist Gantruost und zu meiner rechten Seite schläft Truganost. Wir sind die, die ihr Arkan-Oger nennt, und wir haben dich erwartet, Mogda.«
Mogda stand noch immer wie angewurzelt da, genauso wie Rator. Er wusste nicht genau, ob ihm nicht die Stimme versagen würde vor diesem Hünen ... diesem zweiköpfigen Hünen. Er nahm seinen Mut zusammen, um nicht so begossen dazustehen wie eine alte Bauersfrau beim Anblick eines gewöhnlichen Ogers.
»Wir sind gekommen, um euch einige Fragen zu stellen und um Hilfe zu bitten.« Gantruost hob abwehrend die Hand, um Mogda zum Schweigen zu bringen. Verunsichert wechselten Mogda und Rator Blicke miteinander und bekundeten ihre Verwirrung mit einem Achselzucken.
»Es tut mir leid, dein Anliegen unterbrechen zu müssen, aber zuerst musst du die Prophezeiung erfüllen. Erst dann sei dir gewährt, wonach du trachtest.« Gantruost zeigte auf eine eingelassene Steintafel vor seinem Thron. Zögerlich näherte sich Mogda der Schrift und drehte den Kopf, um besser sehen zu können. Halblaut las er die Inschrift vor:
»Die Gemeinschaft der Ettins, gefangen im Fels, den Wasser umrinnt,
durch Feuer geknechtet, wartet auf Rettung, geleitet vom Wind.
Viel gemeinsam und doch verschieden, wurden sie in ihr Schicksal getrieben.
Sein Haupt tritt an die Stelle von zwei, die Gemeinschaft der Ettins lebt wieder frei.«
Nachdem Mogda den Text gelesen hatte, schaute er wieder zu Gantruost hoch. »Das ist die Prophezeiung?«, fragte er.
»Nein«, sagte Gantruost, »das ist nur ein kleiner Ausschnitt. Die komplette Schrift haben wir gut verwahrt. Es ist nicht vonnöten, dir alles preiszugeben.«
»Woher wollt ihr wissen, dass ich dieser Jemand bin?«, wollte Mogda wissen. »Wie viele Oger kennst du denn, die diese Schrift überhaupt lesen können?«
Der Einwand war berechtigt, aber er konnte sich nicht mit dem Gedanken anfreunden, dieser Befreier zu sein. Und auf gar keinen Fall wollte er in eine Gemeinschaft eintreten, in der es außer ihm lediglich Wesen gab, die nicht nur einen Kopf größer waren als er, sondern auch noch ein Haupt mehr hatten. »Was ist, wenn ich mich weigere?«
»Dann bist du kein Teil der Prophezeiung, sondern eine Abwechslung auf dem Speiseplan«, sagte Gantruost.
»Wir sind nicht allein gekommen. So einfach lassen wir aus uns kein Abendessen machen«, wandte Mogda mit fester Stimme ein.
Gantruost erhob sich von seinem Thron und reckte das Breitschwert in die Höhe.
»Hört her, meine Freunde«, brüllte er, »wir werden lange Zeit keinen Hunger leiden müssen.«
Aus allen erdenklichen Richtungen drangen Jubelschreie zu ihnen vor. Scheppernd wurden Waffen gegen Rüstungsteile geschlagen. Jeder Tunnel, jede Halle füllte sich mit dem Brüllen der Ettins. Ihre Zahl abzuschätzen, hielt Mogda für überflüssig, da sie selbst einer Hand voll dieser Wesen hoffnungslos unterlegen wären. Rator hingegen schien zwar verwundert, aber keinesfalls eingeschüchtert. Er hielt seine Breitaxt zum Schlag erhoben und wartete ab.
»Schon gut, schon gut«, lenkte Mogda ein. »Ich werde eure Prophezeiung erfüllen und mich dem Schicksal beugen. Was muss ich tun?«
Sichtlich zufrieden setzte sich Gantruost wieder.
»Im hinteren Teil dieser Halle befindet sich ein Abstieg zu einer Grube. Gehe hinunter und hole dir das Runenschwert. Dann kehrst du hierher zurück. Das ist alles.«
Mogda ahnte, dass das sicherlich nicht alles war, aber er hatte ja ohnehin keine Wahl. Um sich möglichst unbeeindruckt zu zeigen, sagte er: »Bei solch unglaublich schweren Aufgaben kann ich nur von Glück sagen, dass es nicht schon jemand vor mir probiert hat, sonst wäre der Posten des Befreiers bestimmt schon besetzt.«
Gantruost zeigte ihm mit ausgestrecktem Arm die Richtung an.
»Du brauchen Axt?«, fragte Rator.
Mogda schüttelte den Kopf. »Nein, du hast ja gehört, ich bekomme gleich eine neue Waffe, bis dahin komme ich bestimmt ohne aus.«
Ohne sich noch einmal umzuschauen, ging er zügig in die Richtung, die ihm der Ettin gezeigt hatte. Er versuchte, dabei einen unerschrockenen Eindruck zu hinterlassen. Es geziemte sich schließlich nicht für prophezeite Helden, wimmernd und schluchzend ihrem Schicksal entgegenzukriechen. Nach etwas über hundert Schritt konnte er die Grube sehen. Dieser Teil der Halle war wesentlich spärlicher
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