Die Oger - [Roman]
beleuchtet, aber der weiße Nebel, der die Grube füllte, machte sie gut sichtbar.
Sie hatte einen Durchmesser von fünfzig Schritt und war fast kreisrund. An ihrer Außenwand führte eine gewundene Treppe in die Tiefe. Ihr Ende verlor sich im Nebel. Mogda betrat die erste Stufe und setzte vorsichtig einen Fuß nach dem anderen auf die nachfolgenden Steinquader. Jetzt abzurutschen und in die Tiefe zu stürzen würde wohl unumstritten als die peinlichste Heldentat aller Zeiten in die Geschichte der Oger eingehen. Nach kurzer Zeit wurde er vollends vom Nebel geschluckt. Drei Mal umrundete er den Wendel, dann gelangte er zum Fuß der Treppe.
Seiner Meinung nach musste er jetzt ungefähr dreißig Schritt in der Tiefe sein. Der Schwefeldampf war so dicht, dass man bei ausgestrecktem Arm die eigene Hand nicht mehr erkennen konnte.
Mogda tastete sich langsam vor. Er versuchte, ins Zentrum der Grube vorzudringen, da er dort weitere Anhaltspunkte vermutete. Nichts.
Er lauschte in den wallenden Nebel hinein, aber außer ihm schien sich hier niemand aufzuhalten. War das alles vielleicht nur ein Spiel oder ein Rätsel?
»Hallo, ist da jemand? Ich bin gekommen, um das Runenschwert zu holen«, rief er mit erstickter Stimme, da die Schwefelgase stark in seinem Hals kratzten und ihm das Atmen erschwerten.
Das Rasseln einer Kette erklang, verstummte aber sofort wieder. Entweder war hier eine grobe Mechanik am Werk, oder er war doch nicht allein. Vorsichtig versuchte er, sich dem Ursprung des Geräusches zu nähern. Seine Augen begannen zu tränen, und seine Orientierung verschlechterte sich abermals. Er riss sich einen Fetzen Stoff aus der Hose und stopfte sich den Lumpen in den Mund. Damit hoffte er, einen großen Teil der Gase zu filtern.
Plötzlich sah er etwas vor sich aufblitzen und hielt darauf zu. Er streckte die Hände vor, um etwaige Hindernisse frühzeitig ausmachen zu können. Dann ertastete er ein Stück kühles Metall - so unglücklich, dass er sich daran tief zwischen Zeigefinger und Daumen schnitt. Schmerzerfüllt zog er die Hand zurück und fluchte. Mit vorgestrecktem Kopf und zusammengekniffenen Augen durchforstete er den Nebel. Direkt vor ihm tauchte die Klinge aus dem Dunst auf und schien regungslos in der Luft zu schweben. Er besah sich die runenverzierte Schneide des Schwertes und folgte ihrem Verlauf bis zum Griff.
Zu spät erkannte er, dass die Klinge nicht in der Luft schwebte, sondern von einer großen, behaarten Hand gehalten wurde. Die Pranke schnellte vor und verpasste ihm einen Kinnhaken, der ihn rückwärts taumeln ließ und zu Boden schickte. Kurz darauf sprang eine Gestalt breitbeinig über ihn und holte zum Schlag aus. Mogda drehte reflexartig den Kopf zu Seite, und die Spitze des Runenschwertes bohrte sich neben ihm in den vom Schwefel zerfressenen Stein. Er schaute nach oben, konnte aber nur die Beine seines Gegners ausmachen, da der Rest vom Nebel verschluckt wurde. Die Größe und seine Kraft ließen nur den Schluss zu, dass es sich bei seinem Widersacher um einen der Ettins handelte. Mogda ballte die Hände zu Fäusten und schlug, so hart er konnte, gegen das Knie seines Gegners, der dadurch zwei Schritte zurückwankte und ihm erlaubte, sich wieder aufzurichten. Breitbeinig und die Arme zur Abwehr erhoben starrte er in die Richtung, aus der er einen Angriff vermutete, aber außer der gelblich wallenden Wand zeigte sich niemand.
Mogda versuchte seine eigene Atmung so flach wie möglich zu halten, um seine Position nicht zu verraten und stattdessen die des Ettins ausmachen zu können. Seitlich von ihm hörte er wieder die Kette über den Boden schleifen. Er drehte seinen Oberkörper. Ein stechender Schmerz fuhr durch seinen Oberschenkel und hinterließ eine klaffende, stark blutende Wunde. Alles, was er sah, war die Hand und das Schwert, die im Nebel verschwanden. Jetzt unüberlegt hinterherzustürmen konnte fatale Folgen haben. Sein Gegner war sicherlich darauf gefasst, und sein Angriff sollte womöglich genau das herausfordern.
Mogda zwang sich zur Ruhe und konzentrierte sich auf seine Umgebung. Wieder hörte er die Kette. Das Geräusch schien immer vom selben Punkt aus zu kommen. Er ging in die Knie und presste eine Hand gegen seine Wunde, da die Gase sich anscheinend mit dem Blut vermischten und eine Säure entstehen ließen. Die ätzende Wirkung brannte wie Feuer. Er nahm seine Wasserflasche vom Gürtel und träufelte ein wenig auf den tiefen Schnitt. Der unerwartete Schmerz ließ
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