Die Oger - [Roman]
dabei einen äußerst angespannten Gesichtsausdruck zur Schau stellte.
»Rator, willst du abgelöst werden?«, fragte Cindiel mitleidig.
Er schüttelte nur behutsam den Kopf und zog die Ruder wieder an sich heran. Sein Blick suchte forschend die Wasseroberfläche nach Bewegungen ab.
»Du brauchst keine Angst zu haben, es gibt keine Fische, die Oger fressen. Die meisten sind winzig klein und leben von Algen. Sie haben mehr Angst vor dir als du vor ihnen.«
»Ich nicht Angst«, erwiderte er.
Mogda wusste es besser als die beiden, entschloss sich aber, sein Wissen für sich zu behalten. Rator hatte Angst, genau wie er, und das auch nicht ohne Grund. Mogda erinnerte sich an Zeichnungen und Berichte über monströse Ungeheuer, die nur auf einen Oger zu warten schienen, weil an Menschen zu wenig dran war. Octocephallodon, flüsterte er leise vor sich hin. Er hatte in einem Buch ein Bild gesehen, das ein Wesen mit dem Hinterkörper eines Kraken und dem Vorderkörper eines Haies zeigte. Es verschluckte ein ganzes Ruderboot samt Insassen wobei es ihm egal zu sein schien, ob es sich dabei um menschliche Seeleute oder Oger handelte. Im Text darunter stand geschrieben, dass der Octocephallodon mit seinen Armen Fischschwärme an der Wasseroberfläche imitierte, um so Seeleute anzulocken und sie dann zu fressen. Der Schreiber hatte jedoch darauf hingewiesen, dass es sich um ein extrem seltenes Exemplar handelte. Mogda war sich jedoch sicher, dass es nicht selten, sondern mindestens einmal zu häufig existierte.
Über sich selbst erschrocken zog er die Hand aus dem Wasser, die er gedankenlos über die Bootswand gehalten hatte, um die Schwellungen von der Ruderei abzukühlen.
»Nun fang du nicht auch noch an«, knurrte Cindiel mit bösem Blick.
»Ich hab doch keine Angst vor Fischen!«, protestierte Mogda heftig. »Sie sind klein, glitschig und unbewaffnet. Was sollen sie mir schon tun können?«
Etwas stieß im Dunkeln gegen das Ruderboot und brachte es leicht zum Schaukeln, wobei ein wenig Wasser ins Innere gelangte und den dreien über die Füße schwappte. Mogda und Rator reagierten sofort. Sie zogen ihre Füße an, als ob das Wasser kochend heiß wäre. Beide starrten einen Augenblick ins Innere des Bootes, als ob aus der Pfütze jeden Moment ein Ungeheuer entsteigen könnte. Dann lehnten sie sich, einer nach links, der andere nach rechts, über den Bootsrand hinaus und schauten ängstlich ins Wasser. Cindiel hatte unterdessen eilig begonnen, mit dem Holzbecher das Wasser wieder auszuschöpfen, um das Boot vor jeder zusätzlichen Belastung zu bewahren.
»Dort«, schrie Mogda angsterfüllt auf. »Das ist ein Octocephallodon. Er wird uns angreifen.« Er zog sein Runenschwert und richtete es auf einen dunklen Umriss im Wasser. Rator versuchte, das Gleichgewicht wiederherzustellen und lehnte sich mit angespannten Blicken ein Stück weiter aus dem Boot.
Cindiel stand auf und fuchtelte mit hoch erhobenen Armen herum, als wolle sie ein schlechtes Omen abwehren. »Die Götter stehen uns bei, das ist ein Toobsgnutter. Wir sind verloren.«
Die beiden Oger blickten sie erschrocken an. Cindiel hielt sich die Hände vor den Mund, konnte aber ein Kichern nicht unterdrücken.
»Was sein Toobsgnutter?«, fragte Rator mit unsicherer Miene.
»Ein umgedrehtes Rettungsboot, ihr alten Waschweiber«, meinte sie lachend.
Sichtlich erleichtert, aber peinlich berührt lenkten die Oger zum Wrack hinüber. Mogda griff nach dem Rumpf des Bootes und drehte es zu sich hin.
Es ist von der Seestern. Das Boot, das Matscha genommen hatte. Es ist leckgeschlagen.«
»Dann müssen wir aufpassen«, sagte Cindiel. »Die Küste scheint nicht mehr weit entfernt zu sein. Wir wollen doch nicht das gleiche Schicksal erleiden, oder?«
Eine halbe Stunde später erreichen sie den Strand und liefen zwischen einigen Felsen auf dem Sand auf. Unbeschadet und sichtlich erleichtert zogen sie ihr Boot weiter an Land. Rator stampfte mehrmals mit dem Fuß auf den Sand, um sich zu vergewissern, dass er wieder festen Boden unter den Füßen hatte.
Mogda schnallte sich seinen Proviantsack um und übergab die anderen beiden seinen Gefährten. Cindiel überzeugte sich schnell, ob das Buch ihrer Großmutter die Reise unbeschadet überstanden hatte und verstaute es dann wieder.
»Wir sollten uns beeilen und Matschas Spur suchen, bevor er zu viel Vorsprung hat«, ermahnte Mogda seine Begleiter. Es war schwer im Dunkeln eine Spur auszumachen, aber sie hofften, dass
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